
Zugegeben, Nijmegen – klingt ein bisschen wie ein Zungenbrecher, schmeckt aber nach Lebensfreude, Lakritz und einer Prise studentischem Übermut. Wer hier ankommt, merkt schnell: Die älteste Stadt der Niederlande gehört definitiv nicht zum alten Eisen.

Als älteste Stadt der Niederlande trägt Nimwegen – Niederländisch: Nijmegen – seine Geschichte mit Stolz, aber ohne Staub. Stattdessen mischen sich römisches Erbe mit studentischem Übermut, mittelalterliche Mauern mit urbaner Kreativität. Alt trifft hier Modern, Fluss trifft Kopfsteinpflaster – immer verbunden mit dem langen Hauch der Geschichte. Denn die Wurzeln der Hansestadt reichen nachweislich mehr als 2.000 Jahre zurück. Schon 19 vor Christus richteten die Römer am Ufer der Waal, einem Nebenarm des Rheins, einen strategisch wichtigen Militärstützpunkt ein, aus dem sich schließlich die zivile Siedlung Ulpia Noviomagus Batavorum entwickelte.
Nijmegen aufs Haupt geschaut

Im östlich der Innenstadt gelegen Valkhofpark stand einst eine römische Festung, später war hier eine Pfalz von Karl dem Großen zu finden. Heute erzählen die Mauerreste und Ruinen zusammen von den alten Römern, von Kaisern und Kapellen, während sich vom Belvedere, einem Turmhaus aus dem 15. Jahrhundert, Panoramablicke auf Nijmegen, die Waal und die markante Waalbrücke eröffnen.

Noch besser lässt sich der 190.000-Seelen-Gemeinde vom Turm der mittelalterlichen Stevenskerk aufs Haupt schauen. Vor der Tür des imposanten Gotteshauses erweist sich der Grote Markt als ein charmantes Durcheinander aus mittelalterlicher Kulisse, Markttreiben, Cafés, Restaurants und dem Rathaus mit seiner schmucken Renaissancefassade.
Von Bitterbalen und Pfefferbier

Wer sich auf einer der vielen überdachten Terrassen niederlässt, bekommt neben dem Getränk ein faszinierendes Straßenkino serviert: Kinder, die reihenweise Stroopwafels in sich rein stopfen, ältere Herrschaften, die stilvoll an ihren Genever nippen, und Fahrradfahrer, die mit artistischer Präzision durch die Menschenmenge zirkeln, als wäre der Grote Markt ein Slalomparcours.

Die Speisekarten sind ein Potpourri aus niederländischer Bodenständigkeit und internationalem Ehrgeiz. Wobei die Bitterballen eigentlich ein Muss sind – frittierte Fleischragout-Kugeln aus Rind- oder Kalbfleischmasse, außen knusprig, innen heiß wie ein Vulkan. Dazu Senf und ein kühles Bier – fertig ist der niederländische Tapas-Traum. Wer mit Blick auf den Gerstensaft durchaus experimentierfreudig ist, sollte ein „Sergeant Pepper“, ein Pfefferbier mit ordentlich Wumms aus der ortsansässigen Oersoep (Ursuppe) Brauerei, probieren.
Shop till you drop

Am Grote Markt laufen auch die verschiedenen Achsen der ungemein weitläufigen Fußgängerzone zusammen. Von der Broerstraat über die Marikenstraat, wo sogar auf zwei Ebenen geshoppt werden kann, bis zur Molenstraat reiht sich Geschäft an Geschäft, Café an Concept Store, und irgendwo dazwischen verliert man nicht nur den Überblick, sondern auch den letzten Rest Selbstbeherrschung beim Anblick von Schaufenstern voller Lakritz, Käse, handgefertigtem Schmuck und Second-Hand-Schätzen. Hier wird flaniert, gestöbert, probiert – und das alles ohne den Stress hupender Autos. Nur die Radfahrer bleiben ein Störfaktor. Aber das gehört zur niederländischen Lebensart wie Coffeeshops und Wohnwagen.

Ungeachtet dessen erweist sich die Innenstadt von Nijmegen als ein Paradies für Flaneure im XXL-Format. Hier trifft man auf eine Mischung aus historischen Bauten, modernen Galerien und Musik, die aus offenen Türen zu kommen scheint. Am Ende der Lange Hezelstraat, der ältesten Einkaufsstraße des Landes, breitet sich mit dem Kronenburgerpark eine weitere innerstädtische Oase aus. Blickfang sind hier neben dem Teich und dem Tiergehege der mittelalterlichen Stadtmauer sowie der Pulverturm (Kruittoren).
Nachhallender Perspektivwechsel

Natürlich kommen auch Kulturbeflissene in der Universitätsstadt mit ihren gut 24.000 Studierenden auf ihre Kosten. Etwa im Museum Het Valkhof, das römische Artefakte, mittelalterliche Kunst und moderne Ausstellungen unter einem Dach vereint. Für eine Portion Perspektivwechsel sorgt das muZIEum, wo man in völliger Dunkelheit erlebt, wie es ist, blind zu sein – eine Erfahrung, die nachhallt und berührt. Eine leise, aber kraftvolle Erinnerung daran, wie viel man durch hinschauen, hören und fühlen lernen und erleben kann.

Informationen: www.visitnijmegen.com


Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.