Hoch oben im Nordwesten der Republik Irland können Naturliebhaber inzwischen wieder Wildtieren begegnen, die – zumindest auf der Grünen Insel – ausgestorben waren: Im neu eröffneten Tierpark „Wild Ireland“. Ein kleines Rudel Wölfe durchstreift das Unterholz. Zwei Braunbären turnen irgendwo im Gehölz. Sogar ein Luchs wurde hier angesiedelt. Jüngster Zuzug: ein Wildschwein mit inzwischen sieben quirligen kraftstrotzenden Ferkeln, die im Freigehege die Sau rauslassen.
Tierfreunde um Killian McLaughlin haben das Gehege in unberührter Natur auf der Halbinsel Inishowen im stillen County Donegal eigenhändig angelegt, in einer letzten verbliebenen Nische des gemäßigten keltischen Regenwaldes, mit Unterstützung freiwilliger Helfer und lokaler Unternehmen, die Geld gaben. Mehr als sechs Jahre hat es gedauert. Im Herbst 2019 wurde „Wild Ireland “unter dem Beifall begeisterter Naturfreunde eröffnet, auf einem idyllischen Waldstück von bald 100.000 Quadratmetern. Mit der Pandemie kamen – auch wirtschaftlich – schwierige Zeiten. Doch nun ist der Park – gleich an der nordirischen Grenze – wieder für alle geöffnet, ein Outdoor-Erlebnis der ganz besonderen Art.
Die erkorenen Stars des kleinen Reservats sind neben den Wölfen die Braunbären. Killian McLaughlin befreite sie aus ihren engen Käfigen und brachte sie aus Osteuropa zurück auf die grüne Insel, zusammen mit einem zahmen Luchs, der seitdem durch das Dickicht des eingezäunten Wäldchens streift. Auch Fabelwesen aus der altirischen Mythologie sind in diesem Park anzutreffen: stolze Schwäne ziehen hier majestätisch ihre Bahnen in einem kleinen See, neben wilden Enten und Gänsen. Dieser Park ist für viele Tiere ein artgerechtes Refugium und ein wirklich tierisches Erlebnis für Jung und Alt: ein liebevoll angelegter Erlebnispark für Naturliebhaber, Familien und natürlich für Kinder, mit überraschendem Informations- und hohem Freizeitwert.
Wie die Vorfahren des wahren „Celtic Tiger“, des Luchses, sind im historischen Irland etliche Tierarten während der vergangenen Jahrtausende ausgestorben. Genau davon erzählt der Park seinen Besuchern durchweg spannende Geschichten. Dabei wird Naturkunde zur Kulturgeschichte. Sie berichtet von irischen Kampfhähnen, die eigens gezüchtet, dann verboten und fast verschwunden waren. Sie weiß um die „Kuh des armen Mannes“: denn der Park beherbergt die letzten Exemplare der „Alt-Irischen Ziege“ (Old Irish Goat Society). Sie wurden zufällig wiederentdeckt. Es gibt kaum mehr als 150 davon.
Zudem erinnert „Wird Ireland“ an den gemäßigten maritimen Regenwald, der einst die Insel völlig bedeckte. Und an die Abholzung der inzwischen vergessenen Wälder, mit der die Wildschweine ebenso verschwanden wie die Bären und Luchse. Auch das nun wieder angesiedelte Rotwild wurde auf späteren herrschaftlichen Jagden des englischen Landadels systematisch abgeschossen. Ähnlich die Wölfe: Oliver Cromwell hatte hohe Abschussprämien auf sie ausgesetzt. Sie wurden restlos ausgerottet. Doch nun sind sie – aus mitteleuropäischen Regionen kommend – nach Irland zurückgekehrt: Killian McLaughlin hat sie als Welpen selbst von Hand aufgezogen. Nicht irischen Ursprungs indessen sind die Makaken, die Berberaffen, die ursprünglich im Atlasgebirge heimisch sind. Die Tierschützer haben die lustigen Gesellen aus einem Zirkus hierhin geholt, andere aus dem illegalen Tierhandel gerettet, zur besonderen Freude der Kinder. Weitere Informatioinen unter www.wildireland.org.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.