Die USA verabschieden sich als Reiseziel

USA
Die USA: Ein Land, das sich mit neuen Regelungen möglicherweise selbst aus der Reisewelt abschafft. – Foto: Mortimer Reisemagazin

Es war einmal ein Land, das mit Freiheitsstatue, Route 66 und XXL-Softdrinks Reisende aus aller Welt anlockte. Ein Land, das von sich behauptete, Träume wahr werden zu lassen. Doch in jüngster Zeit hat es sich offenbar entschlossen, lieber Albträume zu produzieren – zumindest für alle, die versuchen, legal einzureisen. Denn die neu angedachten Einreisevorschriften der US-Behörden fühlen sich wie Auszug aus einem dystopischen Science-Fiction-Film an, in dem man beim Betreten des Landes zuerst einmal seine digitale Seele an der Passkontrolle abgeben muss.

Datenkrake im Einsatz

Der Vorschlag des US-Grenzschutzes liest sich wie die Wunschliste eines besonders ehrgeizigen Datenhamsters: Gefordert werden gemäß jüngster Pläne von jedem Reisenden bei der Einreise ein Einblick in die Social-Media-Aktivitäten der letzten fünf Jahre, die Telefonnummern der letzten fünf Jahre, die E-Mail-Adressen der letzten zehn Jahre, die – IP-Adressen (ja, wirklich), Fotometadaten und alles, was die moderne Biometrie hergibt: Gesicht, Fingerabdruck, Iris, DNA – wahrscheinlich fehlt nur noch die Lieblingspizza-Sorte.

Mitgehangen, mitgefangen

Auch wer mitfährt, soll akribisch notiert werden. Familienmitglieder? Namen, Geburtsdaten, Wohnorte. Man könnte fast meinen, die USA wollten sicherstellen, dass man nicht versehentlich Tante Gerda in Milwaukee „vergisst“ – oder dass am Ende doch jemand unerkannt ins Land gelangt, der keine Spaziergänge auf Instagram postet.

Und weil Bürokratie immer besser flutscht, wenn man sie in eine App zwängt, soll künftig die klassische ESTA-Website verschwinden. Stattdessen heißt es: „Do you have the app?“ – „No?“ – „Then you have no entry.“ Ob die App überarbeitet, benutzerfreundlich oder überhaupt funktionsfähig sein wird? Wer weiß das schon. Die Behörden rechnen optimistisch mit 14 Millionen jährlichen Nutzern. Vielleicht gehen sie davon aus, dass die Hälfte ohnehin scheitert – und schon hätten sie ihre Sicherheitsziele erreicht.

USA – das neue Escape Room-Game

Man fragt sich unweigerlich, ob die USA überhaupt noch möchten, dass Menschen das Land besuchen. Früher mussten Reisende lediglich sagen, dass sie keine Terroristen, Spione oder Kartoffelimporteure sind. Heute muss man im Grunde beweisen, dass man nicht einmal potenziell eine Person ist, die irgendwann einmal so aussehen könnte, als hätte sie vielleicht… na, irgendwas.

Die Behörden betonen, dass alles ja „noch freiwillig“ ist. Bis 2026. Dann wird es schrittweise ernst. Datenschutzexperten und Bürgerrechtsgruppen in den USA äußern bereits Sorgen und warnen vor einer „neuen Dimension staatlicher Neugier“. Man könnte auch sagen: „Vielleicht ein bisschen viel Gläserner Mensch?“

Reiseland USA – auf direktem Weg ins Off

Wenn ein Reiseland die Latte so hoch hängt, dass selbst der Stabhochsprung-Weltrekord nicht mehr reicht, bleibt irgendwann nur eine Konsequenz: Man streicht es einfach aus dem Reisekatalog. Warum sich mit DNA-Proben herumschlagen, wenn es auch Länder gibt, die froh sind, wenn man lediglich weiß, wie man „Guten Tag“ sagt und den Pass nicht verkehrt herum hält? Warum Instagram-Posts von 2021 erklären, wenn man auch sorgenfrei durch Kanada reisen kann?

Land of the Free? Nicht für Reisende.

Die USA waren einst das Ziel zahlloser Roadtrip-Träume. Doch 2026 droht daraus eine Datenabgabestelle mit Landschaftsoption zu werden. Bis sich etwas ändert, empfiehlt es sich vielleicht, die Freiheit an weniger neugierigen Orten zu suchen: beispielsweise in Island –  vulkanisch, freundlich, datenarm. Oder in Japan – höflich, sauber, digitale Selbstbestimmung. Auch Portugal wäre ein Tipp: Sonne, Pastéis de Nata, keine verpflichtende Offenlegung der letzten fünf E-Mail-Adressen.

Bleibt zu hoffen, dass die USA irgendwann merken, dass man ein Reiseland nicht dadurch attraktiver macht, dass man seine Besucher behandelt wie Bewerber für ein Geheimdienstpraktikum. Bis dahin gilt: Reisepass ja – digitale Nacktheit nein.

Karsten-Thilo Raab

berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.