Tanger: eine faszinierende Stadt zwischen Atlantik und Mittelmeer, wo Kulturen und Sprachen aufeinandertreffen. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Zwischen Atlantik und Mittelmeer, zwischen Europa und Afrika, liegt Tanger direkt an der Straße von Gibraltar. Hier, wo Möwen und Fähren gleichermaßen den Kontinent wechseln, weht ein Wind, der Geschichte(n) mit sich trägt – salzig, geheimnisvoll und ein bisschen nach Abenteuer duftend.
Prachtvolle Eingänge sorgen nicht nur in der Kasbah von Tanger immer wieder für Blickfänge. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Es gibt Städte, die klingen schon beim Namen nach Fernweh. Tanger ist so eine – die weiße Stadt am Meer, wo sich Afrika und Europa fast berühren. Nur ein paar Seemeilen trennen sie. Ziemlich genau 14 Kilometer sind es bis Andalusien, die Straße von Gibraltar dazwischen – ein Glitzern, ein Wind, ein Versprechen. Hier, wo die Sonne das Meer zweimal küsst – morgens am Mittelmeer, abends am Atlantik – spürt man, dass sich Geschichte und Gegenwart in den Wellen die Hand reichen. Hier kreuzen sich nicht nur Schiffe, sondern auch Kulturen, Sprachen und Sehnsüchte.
Dichter, Dandys und andere Tagträumer
In den 1940er- und 50er-Jahren war Tanger eine internationale Zone – neutral, frei, ein bisschen verrucht. Hier trafen sich Spione, Poeten, Lebenskünstler und Exzentriker, auf einem Espresso oder einem Arak, und niemand fragte nach Pässen. Paul Bowles schrieb hier „The Sheltering Sky“ (Himmel über der Wüste) und lauschte den Geräuschen der marokkanischen Metropole. William S. Burroughs verfasste „Naked Lunch“, experimentierte mit Worten und anderem, Truman Capote notierte Gesellschaftssatiren in gepflegtem Zynismus. Henri Matisse malte das Licht – ein Weiß, das kein Weiß ist, und ein Blau, das man nur hier findet.
Kein Besuch Tangers wäre perfekt ohne einen Besuch der weitläufigen, verwinkelten Mdina. – Foto: karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Später ließen sich Keith Richards von den Rolling Stones und Modemacher Yves Saint Laurent treiben – der eine auf der Suche nach neuen Riffs, der andere nach neuen Farben. Vielleicht haben beide dasselbe gesucht: Inspiration, die nach Meer schmeckt.
Prominente Magnetwirkung
Die Kasbah ist umrahmt von einer trutzigen Festungsmauer. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
„Tanger ist kein Ort, den man betritt. Tanger ist ein Zustand, in den man gerät“, soll dann auch Paul Bowles einmal treffend formuliert haben. Und nicht nur die Promis sind in diesen wunderbaren Zustand geraten.
Das historische Tor zur Kasbah wurde für das James Bond Abenteuer „Spectre“ filmisch in Szene gesetzt. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
„Im Sog der Prominenten hat sich Tanger rasant entwickelt“, weiß Chakour Alami Mohammed zu berichten, dass die Stadt im Jahre 1925 kaum 65.000 Einwohner zählte. Heute sind es, so der 60-jährige weiter, gut 1,4 Millionen.
Die Medina – ein Labyrinth mit Seele
Zwischen Grand Socco und der Mdina liegen die geschäftigen Markthallen. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Wer sich in die historische Altstadt wagt, sollte sich Zeit nehmen – und einfach treiben lassen. Denn die Gassen von Tanger sind ein Labyrinth aus Licht und Schatten, aus Düften von Leder, Kardamom und Zedernholz. Ein Straßenwirrwarr mit blaugetünchten Türen in allen Schattierungen von Azur. Hinter unscheinbaren Pforten arbeiten Handwerker, deren Familien seit Generationen Teppiche knüpfen oder Messing hämmern. Manchmal öffnet sich eine Tür – und plötzlich steht man in einem kühlen Innenhof, zwischen Orangenbäumen, Mosaiken und einem Glas Tee, der so süß ist, dass man lächeln muss.
Kasbah-Museum – Geschichte mit Aussicht
Das Kasbah-Museum vermittelt einen Einblick in längst vergangene Zeiten. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Hoch über der 1,4-Millionen-Metropole in der Kasbah, thront das Kasbah-Museum, untergebracht im ehemaligen Sultanspalast. Zwischen Kacheln, Kaligraphien und archäologischen Fundstücken spürt man: Tanger war nie einfach nur eine Stadt – es war immer ein Treffpunkt der Welt. Mosaike und kunstvoll geschnitzte Türen erzählen die wechselvolle Geschichte. Draußen, auf der Terrasse, reicht der Blick über das Meer bis nach Spanien. Die Möwen kreisen, die Sonne blendet – und man versteht, warum die Stadt mit ihren heute rund 400 Moscheen seit Jahrhunderten als „Tor zu Afrika“ gilt.
Zwischen Petit und Grand Socco
Am Rande des Grand Socco erhebt sich ein markanter Moschee-Turm. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Der Petit Socco galt einst als Treffpunkt von Spionen und Schriftstellern, heute entpuppt er sich als ein Platz voller Lachen, Stimmen und klappernder Teelöffel. Hier sitzt man im Café, nippt an einem süßen Minztee und beobachtet das bunte Treiben: Männer in Djellabas, Touristen mit Kameras, Kinder mit Fußball.
Auslage mit orientalischen Schlappen in der Mdina von Tanger. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Ein paar Schritte weiter liegt der Grand Socco, der große Bruder mit dem weiten Blick: Palmen, Marktstände, das Stimmengewirr der Stadt. An dem zentralen Platz, der mittlerweile offiziell Place 9 Avril, heißt, fließt das Leben in allen Sprachen – Französisch, Arabisch, Spanisch, Englisch. Und wenn der Muezzin ruft, halten selbst die Autos für einen Moment inne.
Nicht nur die Gassen in der Kasbah versprühen einen besonderen Charme. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Auf den Plätzen tummeln sich auch jede Menge Handwerker mit ihren Ausrüstungen, die geduldig darauf warten, von hier aus direkt bei Bedarf gebucht werden zu können – beispielsweise für Maler- oder Klempnerarbeiten und ähnliches.
Das grüne Gold Marokkos
Minztee ist Tanger immer und überall im Ausschank. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Doch wer Tanger nur mit den Augen sieht, verpasst ganz sicher etwas. Denn diese Stadt schmeckt. Und wie! Tanger isst nicht einfach. Tanger genießt. Mit allen Sinnen. Und wer sich darauf einlässt, entdeckt eine Küche, die so vielschichtig ist wie die Stadt selbst: ein bisschen Berber, ein bisschen Andalusien, ein bisschen französische Raffinesse – und ganz viel marokkanische Seele. Unverzichtbares Kultgetränk ist der bereits erwähnte Minztee. In Tanger wird er nicht einfach getrunken – er wird zelebriert. Frische Nana-Minze, grüner Tee, viel Zucker und ein kunstvoller Schwung aus der Kanne, der den Schaum tanzen lässt.
Unbedingt eine Sümde wert ist das marokkanisches Gebäck. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Fast schon obligatorisch ist ein gewürzter Kaffee mit Zimt, Kardamom, Safran, Gumiarabico, und Ingwer, wie er etwa im Cafés Porto Rico – nur einen Steinwurf vom Grand Socco entfernt – ausgeschenkt wird. Barrista Ismail Benboubker und seine nur wenige Quadratmeter große Bude sind längst Kult.
Tajine: Das Herz auf dem Teller
Ein Genuss: eine Lamm-Tajine mit Pflaumen und Aprikosen. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Nicht weniger Kult ist eine Tajine – ein Muss für alle Genussmenschen. Ob mit Lamm, Huhn, Fisch oder Gemüse – die Tajine entpuppt sich als eine famose Gaumenfreude aus Zimt, Safran, eingelegten Zitronen und Oliven, langsam gegart unter dem spitzen Deckel aus Ton. In den kleinen Lokalen der Altstadt wird sie oft noch auf Holzkohle serviert, dampfend und duftend wie ein orientalischer Traum.
Trotz des wenig einladenden Aussehens gilt das das Le Saveur De Poisson als bestes Fischlokal in Tanger. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Am Hafen von Tanger landet täglich das Beste, was das Meer zu bieten hat. Alternativ lockt der Fischmarkt am Grand Socco. Sardinen, Doraden, Tintenfisch – fangfrisch und direkt auf den Grill. Wer neue Geschmackserlebnisse sucht, bestellt „Chermoula“, eine Marinade aus Knoblauch, Koriander, Kreuzkümmel und Zitrone, die den Fisch zum Star macht. Beste Adresse für Liebhaber von Fisch und Meeresfrüchten ist das Le Saveur De Poisson an der Escalier Waller. Ein schrummeliger, rustikaler Laden mit merkwürdig anmutendem Ambiente, aber den wohl besten Fischgerichten der Stadt.
Soulfood auf marokkanisch
Barrista Ismail Benboubker und das winzige Café Porto Rico sind eine Institution in Tanger. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Harira, die traditionelle Suppe aus Tomaten, Linsen, Kichererbsen und Gewürzen, ist besonders während des Ramadan ein Muss – aber auch sonst ein wohliger Gruß aus der marokkanischen Seele. Und wer durch die Gassen von Tanger schlendert, findet überall kleine Stände mit „Maakouda“ (Kartoffelbällchen), „Briouats“ (gefüllten Teigtaschen) oder frisch gepresstem Orangensaft, der schmeckt wie flüssiger Sonnenschein. Wer einen süßen Zahn hat, auf den warten Versuchungen wie „Gazellehörnchen“ mit Mandelpaste, „Sellou“ mit Sesam und Honig oder „Feqqas“ – knusprige Mandelkekse, die perfekt zum Tee passen.
Cap Spartel – wo das Licht schlafen geht
Am Cap Spartel treffen der Atlantik und das Mittelmeer aufeinander. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Nach der Fülle an optischen Eindrücken und Genüssen gibt es dann noch jenen Ort, an dem ein Tag perfekt ausklingt: Am Cap Spartel, dem nordwestlichsten Punkt Afrikas, begegnen sich das Mittelmeer und der Atlantik, während sich in den umliegenden Höngen prächtige Villen der Reichen und Gefönten sowie eine Sommerresidenz der königlichen Familie befinden. Der Leuchtturm aus dem 19. Jahrhundert wacht über die 326 Meter über dem Meeresspiegel gelegene Kante der Kontinente, Möwen schreien in die Brandung, und das Licht wird golden, dann kupfern, dann fast violett.
Der Leuchtturm am Cap Spartel markiert den nordwestlichsten Zipfel Afrikas. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Und spätestens, wenn die Sonne hinter dem Horizont versinkt, versteht man, warum Tanger seit Jahrzehnten große Dichter hervorbringt. Es ist nicht die Stadt, die inspiriert – es ist ihr Licht und die damit verbundenen Stimmungen. Vielleicht ist es auch dieses unbeschreibliche Gefühl, zugleich am Anfang und am Ende der Welt zu sein.
Wissenswertes zu Tanger
Die stolzen Festungsmauern der Kasbah zeugen von einer langen, bewegten Geschichte. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Anreise: Iberia bietet von allen größeren deutschen Flughäfen, aus Wien und Zürich Flüge via Madrid nach Tanger an. Ryanair bietet Direktflüge beispielsweise aus Weete, Baden-Baden und Memmingen an.
Zum Airport in Tanger gibt es von Deutschland, Österreich und der Schweiz aus nur wenige Direktverbindungen. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Einreise: Es genügt ein mindestens sechs Monate gültiger Reisepass
Währung: Zahlungsmittel ist der Marokkanische Dirham (MAD). Ein MAD entspricht etwa 0,10 Euro; ein Euro etwa 10 MAD.
Blick über das Café Hafa aufs Mittelmeer. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Essen und Trinken: Unbedingt probiert werden sollten eine Tagine mit Zitronen und Oliven, Pastilla mit Taubenfleisch (oder vegetarisch) und frischer Fisch am Hafen.
Restaurant-Tipp: Le Saveur De Poisson, 2 Escalier Waller, Tangier, Marokko, Telefon 00212-5393-36326
Nicht verpassen: Ein Besuch im Café Hafa, wo schon Bowles und die Rolling Stones Minztee tranken – mit Blick auf Spanien.
Das El Minzah gehört zu den ewig jungen Hotelklassikern in der Altstadt. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Übernachten: El Minzah Hotel, 85 Rue de la Liberté, Tanger 90000, Marokko, Telefon 00212-5393-33444, https://elminzah.leroyal.com. Das historische Top-Hotel, in dem sich namhafte Politiker und Prominente ein Stelldichein gaben, liegt perfekt in der Altstadt nur wenige Gehminuten von der Mdina.
Modern eingerichtet und großzügig geschnitten sind die Zimmer im Hilton Tanger City Center. – Foto: Karsten-Thilo Raab / Mortimer Reisemagazin
Hilton Tangier City Center, Rond point de la gare ferroviaire, Tangier 90000, Marokko, Telefon: 00212-5393-09700, www.hilton.com. Das Fünf-Sterne-Haus liegt strategisch günstig in der Neustadt, direkt am Hochgeschwindigkeitsbahnhof und besticht durch eine exzellente Küche.
Die Recherche fand – ohne Einfluss auf die journalistische Ausarbeitung – auf Einladung / mit Unterstützung des Staatlichen Marokkanischen Fremdenverkehrsamts in Zusammenarbeit mit BPRC Scott Crouch Public Relations statt.
Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.
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