Famoses Straßenkino in Ho Chi Minh City

Ho Chi Minh City
Auf den Straßen von Ho Chi Minh City herrscht fast rund um die Uhr ein Gewusel wie in einer Ameisenstraße.

Schöner kann ein Land einen trotz dichter Wolkendecke bei Temperaturen von 29 Grad Celsius kaum begrüßen. Auch ohne die Sonne zu sehen, strahlen die Neuankömmlinge am Tan Son Nhat Flughafen von Ho Chi Minh City um die Wette. Denn kaum haben sie vietnamesischen Boden betreten und die Einreiseformalitäten hinter sich gebracht, schon sind sie Millionär.

Rund zehn Millionen Menschen sind heute in Ho Chi Minh City zu Hause.

Einige sogar Multimillionär. Denn in der Wechselstube wandern für gerade einmal 50 Euro mehr als 1,28 Millionen vietnamesische Dollar über den Tresen. Und manch einer der frisch gebackenen Dollar-Millionäre hofft, den riesigen Batzen Geld bei der Ausreise eins zu eins zurücktauschen zu können. Direkt gegenüber vom Terminal liegt ein riesiges Parkhaus speziell für Motorroller. Tausende Zweiräder sind hier dicht an dicht abgestellt. Und sekündlich scheinen neue Zweitakter hinzuzukommen.

Fast jeder Zweite fährt einen Roller

Die Roller sind für die Menschen in Ho Chi Minh City Familienkutsche und Transporter zugleich. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„In Vietnam haben wir 90 Millionen Einwohner und 43 Millionen Motorroller. Das einzige, was noch häufiger anzufinden ist, dürfte Reis sein“, flachst Nguyễn Quốc Anh und rechnet vor, dass, wenn man die Kinder sowie die Alten und Gebrechlichen abzöge, so ziemlich jeder in dem südostasiatischen Land ein Motorrad besitzen würde.

Ho Chi Minh City
Selbst beim Einkauf steigen die Vietnamesen, wenn möglich, nicht vom Roller ab. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Genieß den Verkehr“, schiebt der 35-jährige Guide, der lange Jahre auch als Radiomoderator gearbeitet hat, lachend hinterher. Wohl wissend, dass die Fahrt ins gerade einmal knapp zehn Kilometer entfernte Zentrum des ehemaligen Saigons rund anderthalb Stunden verschlingen wird.

Ho Chi Minh City
Ungewöhnliche Landmarke im einstigen Saigon: die Kathedrale Notre Dame.

Auf den Straßen von HCMC, wie der Name von Ho Chin Minh City gerne abgekürzt wird, herrscht Anarchie. Das Gewusel erinnert an eine Ameisenstraße. Roller, Autos, Radfahrer und Fußgänger kommen von allen Seiten, queren wild durcheinander Straßen, Kreuzungen und Kreisverkehre.

Autos und Fußgänger als Slalomstangen

Geduldig wartetn die Rollerfahrer an der Ampel auf Grün. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Hupen, Slalomfahren und Gleichgewicht halten, sind offenbar die Grunddisziplinen, die ein Rollerfahrer hier beherrschen muss. Nerven wie Drahtseile gehören ebenfalls mit dazu. Und ein gutes Auge, um zu sehen, ob man zwischen den Autos und anderen Rollern noch irgendwie hindurch passt. Gerne nehmen gleichzeitig drei und mehr Menschen auf der kurzen Sitzbank der 125-Kubik-Maschinen Platz. Aber auch die Einkäufe, Kleiderschränke, Sessel und selbst lebende Wasserbüffel werden mit dem Zweirad umherkutschiert.

Ho Chi Minh City
Wer sich keinen Roller leisten kann, setzt auf das Fahrrad. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Keine Frage, egal, was die Zehn-Millionen-Stadt sonst noch zu bieten hat, das famose Straßenkino dürfte kaum zu toppen sein. Da können Sehenswürdigkeiten wie die Alte Oper oder das schmucke Rathaus nicht mithalten. Um in den Genuss des kuriosen Films zu kommen, der auf den Straßen von HCMC läuft, bedarf es nicht viel: man kann sich einfach an eine Straßenecke stellen und gucken oder – noch besser – sich bei einem kühlen Getränk in einem Café am Straßenrand niederlassen.

Wundertüten auf zwei Rädern

Roller sind für viele Vietnamesen motorisierte Packesel. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Die Bilder, die die voll gepackten Motorroller abgeben, könnten von Hollywood-Regisseuren nicht fesselnder in Szene gerückt werden. Mit wachsender Begeisterung, aber auch mit Kopfschütteln und manch herzlichem Lachen lässt sich die nicht enden wollende Zweirad-Lawine in Augenschein nehmen. Immer verbunden mit der Gewissheit, dass jeden Moment ein neuer Hingucker, eine neue Überraschung vorbeigerollt kommt.

Einkäufe und Lasten werden häufig auf traditionelle Art und Weise transportiert. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Obwohl heute Hanoi die Hauptstadt des Landes ist, gilt Saigon als das alte und neue Kraftzentrum in Vietnam“, versuchte Nguyễn Quốc Anh fast schon vergeblich die Aufmerksamkeit auf die Landmarken und Sehenswürdigkeiten des einstigen Saigons zu lenken.

Wo Feilschen zum gutenTon gehört

An den traditionellen Garküchen führt in Ho Chi Minh City kein Weg vorbei. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Dazu zählt etwa der 1914 fertig gestellte Ben Thanh Markt. In der Halle herrscht noch immer wie vor 100 Jahren ein fesselndes Stimmengewirr. Händler versuchen lautstark, alle möglichen Waren an den Mann zu bringen; an jeder Ecke wird gefeilscht und gehandelt. Kaum minder wuselig geht es in Cho Lon zu. In dem chinesischen Einwandserern geprägten Viertel wimmelt es an chinesischen Restaurants, kleinen Läden und unzähligen Straßenständen, aber auch an beeindruckenden Bauwerken wie die Ba-Pagode oder die Minh Huong Pagode.

Ho Chu Minhs Gruß ans Volk

Hotel de Ville, das historische Rathaus in Ho Chi Minh City. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Zu den vielen Postkartenmotiven der Millionenstadt gehört fraglos das 1908 fertig gestellte Hotel de Ville, das heute als Sitz des Volkskomittes dient. Vor dem Rathaus steht der Übervater der Nation auf einem hohen Sockel. Im XXL-Format hebt Ho Chi Minh den Arm, als wolle er sein Volk grüßen, und blickt auf die Stadt herab, die heute den Namen des Revolutionärs trägt.

Ho Chi Minh, der Übervater der Nation, grüßt vom Sockel seines Denkmals vor dem Rathaus. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Schon als junger Mann hat Ho Chi Minh gegen die französischen Kolonialherren gekämpft, ehe er 1930 die Kommunistische Partei Vietnams ins Leben rief“, wagt Nguyễn Quốc Anh eine Kurzabriss der Geschichte. „Nach der Teilung des Landes im Jahre 1954 war „Onkel Ho“ dann Präsident der Demokratischen Republik im Norden des Landes“, ergänzt der zweifache Familienvater.

Kathedrale als koloniales Erbe

Ho Chi Minh City
Auch moderne Bauten sind in Ho Chi Minh City zu finden.

Nicht aber ohne darauf hin zu weisen, dass der bis heute hoch verehrte Ho Chi Minh die Wiedervereinigung des Landes im Jahre 1976 nicht mehr erlebte. Denn er verstarb bereits 1969 im Alter von 79 Jahren. Und doch ist Ho Chi Minh noch immer auf Plankaten und Bildern – und eben auch als Denkmal vor dem Rathaus – allgegenwärtig, So gar nicht ins Stadtbild will derweil die Kathedrale Notre Dame passen. Das Gotteshaus, das auf Vietnamesisch „Nha to Duc Ba“ heißt, wurde 1880 von den damaligen französischen Kolonialherren im neugotischen Stil errichtet.

Panzer vor dem Präsidentenpalast

Abends gibt sich die vietnamesische Megametropole äußerst stimmungsvoll.

Nur wenige Gehminuten entfernt, liegt mit dem Einheitspalast einer der historisch bedeutsamsten Orte der Stadt: der 1873 errichtete Gebäudekomplex diente ab 1954 dem autoritären, antikommunistischen (südvietnamesichen) Staatsoberhaupt Ngo Dinh Diem als Präsidentenpalast. Am 30. April 1975 durchbrachen Panzer der nordvietnamesischen Armee die Umzäunung des 120.000 Quadratmeter großen Areals und beendeten – ohne eine Schuss abzugeben – den über Jahrzehnte schwellenden blutigen Konflikt zwischen Nord- und Südvietnam.

Selbst für eine kurze Entspannungspause werden die Zweiräder gerne genutzt. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Wenige Monate später fanden hier die Verhandlungen zur Wiedervereinigung des Landes statt. Seither trägt der 4.500 Quadratmeter große Palast auch den Namen „Wiedervereinigungspalast“, während im weiten Park die Panzer, die hier 1975 einrollten, als stumme, mahnende Zeugen der Geschichte bestaunt werden können.

Französisches Erbe

Klingender Tempel in Ho Chi Minh City: die alte Oper.

Vor allem im französischen Viertel zwischen Rathaus und Kathedrale hinterließen die ungeliebten Kolonialherren aus dem Westen Europas einige beeindruckende Wohn- und Geschäftsbauten. In den schmucken Häuserzeilen entlang der eleganten Boulevards finden sich Tür an Tür alle namhaften Modelabels und Designs der Welt. Doch so schmuck die Gemäuer auch wirken, so luxuriös die feilgebotenen Waren und Angebote auch sein mögen, sie üben nicht annähernd die Faszination des Straßenkinos in den anderen Stadtvierteln aus…

Weitere Informationen: www.vietnamtourism.gov.vn