
Buenos Aires. Der Name allein trägt das Versprechen von Melancholie, Leidenschaft und überschäumendem Leben in sich. Ich stehe am Obelisk, dem stolzen Wahrzeichen an der Avenida 9 de Julio, jener Prachtstraße, die so breit ist, dass man zweimal überlegen muss, ob man die andere Seite noch am selben Tag erreicht. Buenos Aires vibriert, pulsiert, erzählt Geschichten von Immigranten, Tangosängern, Revolutionären – und von einer nie endenden Sehnsucht.
San Telmo – Nostalgie aus Kopfsteinpflaster

Mein Weg führt mich nach San Telmo, einem Viertel, das sich anfühlt, als sei es stehen geblieben, nur um den perfekten Moment für eine Tangoszene abzuwarten. In den Straßen drängen sich Antiquitätengeschäfte, alte Herren mit Baskenmützen schlürfen ihren Café cortado, und der Geruch von frisch gebratenen Empanadas liegt in der Luft. Die Plaza Dorrego ist das Herzstück des Viertels, ein Platz, auf dem Tangopaare auf offener Straße tanzen, während Touristen mit leuchtenden Augen zusehen.

Ich treffe auf Eduardo, den Inhaber eines Antiquitätengeschäfts. Er hat deutsche Wurzeln und erzählt mir, dass seine Vorfahre. einst aus dem Schwarzwald hierher kamen. Und obwohl es in Argentinien politisch und wirtschaftlich schwierig ist, obwohl die Kriminalitätsrate hoch ist, möchte er mit keinem anderen Land tauschen. Es ist die Freiheit, die ihn in diesem Land hält.
Plaza de Mayo – Geschichte zum Anfassen

Hier spürt man die Seele von Buenos Aires. Ich treffe auf einen Arbolito, einen der vielen inoffiziellen Geldwechsler, die mit geflüsterten „Cambio, cambio“-Rufen Dollar in argentinische Pesos umtauschen. Ein Ritual, das fast schon zur Erfahrung dieser Stadt gehört.

Ein paar Blocks weiter erreiche ich die Plaza de Mayo, das politische Epizentrum Argentiniens. Die Casa Rosada, jener ikonische rosa Präsidentenpalast, thront an einem Ende des Platzes. Hier stand einst Eva Perón, die bis heute wie eine Heilige verehrt wird, und sprach zu Tausenden. Noch immer ziehen die „Madres de Plaza de Mayo“ ihre Runden, Mütter, die seit der Militärdiktatur nach ihren verschwundenen Kindern suchen.
Fußball und der Geist von Gardel

Ein kurzer Sprung mit dem Taxi, und ich tauche in eine völlig andere Welt ein: La Boca. Einst das Viertel der italienischen Einwanderer, heute eine explosive Mischung aus Farben und Tourismus. In der Caminito Street scheinen die bunten Häuser direkt aus einem Gemälde geschnitten. Überall Straßenkünstler, Tango-Duos, und immer wieder diese melancholische Stimme aus Lautsprechern: Carlos Gardel, der unsterbliche Tangosänger.

La Boca ist aber nicht nur Caminito. Es ist auch Boca Juniors, der Verein, den Diego Maradona unsterblich machte. Vor dem Stadion, der „Bombonera“, stehen Fans mit leuchtenden Augen, als warteten sie darauf, dass die Legende noch einmal über den Rasen läuft.

Von den rauen Straßen La Bocas geht es weiter nach Puerto Madero, wo Buenos Aires sein modernes Gesicht zeigt. Wolkenkratzer aus Glas spiegeln sich im Wasser, elegante Restaurants servieren exzellentes Steak und Rotwein. Ich lasse mir ein Bife de Chorizo schmecken – außen knusprig, innen butterzart – und begreife wieder einmal, warum die Porteños ihr Essen fast so leidenschaftlich lieben wie den Tango.
Die dekadente Seite der Stadt

Am nächsten Morgen zieht es mich nach Recoleta, das Viertel der Aristokratie. Hier reiht sich ein prunkvoller Palast an den nächsten, vor allem entlang der Avenida Alvear, wo einst europäische Architekten Buenos Aires in eine „Paris des Südens“ verwandelten. Im Zentrum des Viertels liegt der berühmte Cementerio de la Recoleta, ein Labyrinth aus Marmormausoleen, in dem Eva Perón ihre letzte Ruhestätte fand. Die Grabstätte ist schlicht, doch immer von frischen Blumen bedeckt – ihr Mythos lebt weiter.

Kein Besuch in Buenos Aires wäre komplett ohne das Teatro Colón, eines der schönsten Opernhäuser der Welt. Die Akustik in diesem Palast aus Gold und Samt ist so perfekt, dass selbst Pavarotti einst sagte, sie sei fast zu gut. Ich nehme an einer Führung teil, stehe mitten auf der Bühne und stelle mir vor, wie sich hier Stimmen in die Unsterblichkeit singen.
Das moderne Gesicht von Buenos Aires

Am Abend lasse ich mich durch Palermo treiben, das hippe Viertel der Stadt. Hier gibt es trendige Bars, kreative Boutiquen und grüne Parks. Ich lande in einer Milonga, einem dieser versteckten Tango-Clubs, wo keine Touristen, sondern Einheimische tanzen. Hier, im schummrigen Licht, mit einem Glas Rotwein in der Hand, verstehe ich es endgültig: Buenos Aires ist nicht nur eine Stadt. Buenos Aires ist ein Gefühl.

Buenos Aires hat mich verzaubert. Diese Stadt ist mehr als nur ein Reiseziel – sie ist eine Liebeserklärung an das Leben selbst. Hier habe ich die Leidenschaft des Tango gespürt, das beste Steak meines Lebens gegessen und die Energie einer Stadt erlebt, die niemals schläft.

Als ich am letzten Abend durch die Straßen von San Telmo schlendere, spüre ich eine tiefe Dankbarkeit. Buenos Aires hat mich in seine Arme genommen und mir gezeigt, was es bedeutet, wirklich zu leben. Diese Stadt ist ein Ort, an den ich immer wieder zurückkehren möchte. Mein Tipp: Pack die Tanzschuhe ein und lass Dich von der Magie dieser einzigartigen Stadt verzaubern. Buenos Aires wartet auf Dich!


Philip Duckwitz
unternahm 2007 seine erste Pressereise nach Guatemala. Damals ahnte er nicht, dass er seitdem mehr als 90 Länder besuchen würde. Der Germanist und Politologe ist als Weltenbummler bis heute stets auf der Suche nach unbekannten Regionen, interessanten Menschen und ungewöhnlichen Stories.