
Neun Kilometer Bergbaugeschichte auf Schritt und Tritt. Denkmal an Denkmal. Dazwischen herrlichste Wälder und weite Wiesen mit Blick auf die blaue Ruhr. Schmale Wege, die an plätschernden Bächlein entlang führen. Eine verträumte Burgruine, Einsamkeit, dann wieder Cafés, ein Grubenrad, mit dem man Runden drehen kann, und frisch geräucherte Forellen ab Teich – was verlangt der Wanderer mehr?

Kaum vorstellbar, dass in dem stillen Seitental der Ruhr in Witten einst über 60 Kleinzechen in Betrieb waren. Über 30 Stationen – Stollenmundlöcher, Betriebsgebäude und Fördergerüste – dokumentieren die Entwicklungsstufen des Steinkohlenbergbaus, säumen den neun Kilometer langen Bergbau-Rundweg Muttental und laden dabei zu einer Zeitreise durch 450 Jahre Ruhrgebietsbergbau ein.
Historische Grubenbahn
Tatsächlich ist die Tour voller kleiner und großer Blickfänge sowie Sehenswürdigkeiten. Wer sich vom Parkplatz Nachtigallstraße auf Schusters Rappen auf den Bergbau-Rundweg begibt, stößt dann schon nach gut 100 Metern auf das erste Zeugnis der Bergbaugeschichte: hier befindet sich der frühere Eingang zum Südflügel des Stollens Braunschweig. Nur einen Steinwurf entfernt liegt das Gelände des Gruben- und Feldbahnmuseum Zeche Theresia.
Das technische Museum auf dem Gelände der 1892 still gelegten Zeche präsentiert seit dem Jahre 2002 eine Reihe von Schienenfahrzeugen, die im Bergbau eingesetzt wurden. Die stattliche Sammlung zählt mehr als 200 Waggons und auch 90 Lokomotiven, die von der Arbeitsgemeinschaft Muttentalbahn liebevoll restauriert und instand gesetzt werden. Regelmäßig werden auch Ausflugsfahrten angeboten.
Arbeitbedingungen unter Tage hautnahe erleben

Weiter geht es dann unterhalb von Schloss Steinhausen zur rund anderthalb Kilometer entfernten, ehemaligen Zeche Nachtigall. Als Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur informiert das einstige Bergwerk über die Entwicklung des Bergbaus im Ruhrtal. Höhepunkt des Besuches ist ein Gang durch den Nachtigallstollen, wo Museumsgäste – ausgerüstet mit Fahrmantel, Helm und Lampe – zu einem echten Steinkohleflöz vorstoßen. Sie erleben dabei die Arbeitsbedingungen im Kohlebergbau vergangener Tage.
Über die Muttentalstraße geht es schließlich weiter auf den eigentlichen Bergbau-Rundweg. Erste Station ist der Zugang zum einstigen Steinbruch Dünkelberg, während an der Kreuzung mit der Berghauser Straße eine Skulptur mit einem Bergmann, der eine Grubenlampe trägt, in den Blick fällt. Auf der rechten Seite liegen nun einige Forellenteiche, an denen man auch frisch geräucherte Forellen erstehen kann.
Kurz darauf sind dann der Eingang zum Stollen Turteltaube und das schmucke Bethaus der Bergleute erreicht. Letzteres wurde im Jahre 1830 errichtet und ist das einzige seiner Art im gesamten Ruhrgebiet. Im Untergeschoss wird eine kleine Ausstellung über Arbeit und Leben der Kumpel vor der Zeit des maschinellen Kohleabbaus gezeigt. Im Obergeschoss befindet sich auch ein kleines Café, das während der Öffnungszeiten des Bethauses Würstchen, Kuchen und Eis feilbietet.
Bergbauaustellung „Vom Altertum bis zur Neuzeit“

Der Rundweg führt nun bergan in ein malerisches Waldstück zum ehemaligen Areal der Zeche Hermann. Hier ist bei freiem Eintritt die Bergbauaustellung „Vom Altertum bis zur Neuzeit“ zu sehen. Die Freiluftausstellung präsentiert zahlreiche Bergbau-Gerätschaften. Ein kleiner Spaß bietet sich für alle, die mal Lust haben, auf einem Grubenrad auf Schienen ein paar Runden zu drehen.

Etwa nach einem Drittel der Rundstrecke wartet ein weiterer Blickfang: eine alte Haspelanlage. Knapp 200 Meter weiter ist die einstige Verladeanlage der Zeche Jupiter erreicht. Vorbei am Nachbau eines historischen Kohlenwagens geht es nun zum Stollen Fortuna, zur ehemaligen Halde des Schachtes Juno und zu den letzten noch erhaltenen Teilen der Zeche Renate. An einem Wanderparkplatz wartet dann ein historischer Dreibaum. Und nur einen Steinwurf entfernt erinnert auf einem Plateau ein Gedenkstein an jene Bergleute, die im Muttental verunglückten.
Vorbei an den Göpelschächten Moses und Wilhelm, dem ehemaligen Gelände der Zeche Orion und dem Eingang zum Stollen Reiger führt der Bergbau-Rundweg zu einem weiteren sehenswerten Höhepunkt, der allerdings nichts mit dem Kohleabbau zu tun hat: die Ruine Hardenstein. Die Reste der einst stolzen Burg liegen frei zugänglich inmitten des Naturschutzgebietes Hardenstein, nur einen Steinwurf vom Ruhrufer entfernt. Die Geschichte des Anwesens, das vornehmlich als Herrenhaus diente und weniger zur Verteidigung, geht zurück bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts.
Göpelschächte und Burgruine

Nach diesem geschichtsträchtigen Flecken mit Picknick-Charakter folgt schließlich der „Endspurt“. Auf dem Weg zurück Richtung Zeche Nachtigall und dem Parkplatz liegen mit dem Vereinigungs- und dem Nachkriegsstollen noch zwei weitere, stumme Zeugen der langen Bergbaugeschichte von Witten, die im Muttental im wahrsten Sinne des Wortes auf Schritt und Tritt erlebbar wird.

Allgemeine Informationen: Stadtmarketing Witten, Tourist & Ticket Service, Marktstraße 7, Rathausplatz, 58452 Witten, Telefon 02302-19433, info@stadtmarketing-witten.de, www.stadtmarketing-witten.de
Startpunkt für den Bergbaurundweg: Der Parkplatz an der Nachtigallstraße in Witten-Bommern; grüne Schilde mit schwarzer Aufschrift weisen den Weg.
Länge: 9,1 Kilometer
Gehzeit: Zwischen 90 Minuten und zwei Stunden
Gruben- und Feldbahnmuseum Zeche Theresia, Nachtigallstraße 27-33, 58452 Witten, Telefon 0177-4938504, info@muttenthalbahn.de, www.muttenthalbahn.org, Öffnungszeiten: Von Ostern bis Oktober jeden 1. und 3. Sonntag im Monat zwischen 11 und 18 Uhr geöffnet; Eintritt frei.
LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall, Nachtigallstraße 35, 58452 Witten, Telefon 02302-936640, zeche-nachtigall@lwl.org, www.zeche-nachtigall.de; Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags sowie feiertags von 11 bis 18 Uhr; Eintritt: Erwachsene 3 Euro, ermäßigt 2 Euro, Kinder 1,50 Euro.
Bethaus der Bergleute: Öffnungszeiten: Von April bis Oktober dienstags bis samstags von 10 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr, von November bis März samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr, Eintritt frei.
Buchtipp: Eine ausführliche Beschreibung des Segensweges findet sich in dem Wanderführer Ruhrgebiet ( ISBN 978-3-86686-500-6) von Karsten-Thilo Raab und Ulrike Katrin Peters. Erhältlich ist der Titel für 12,90 Euro im Buchhandel oder direkt beim Conrad Stein Verlag.
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Spannender Buch- und Geschenktipp: Lost & Dark Places Ruhrgebiet
Bei Lost & Dark Places Ruhrgebiet denkt man sofort an das reiche Erbe der Industriekultur: Zeche Zollverein oder den Landschaftspark Duisburg-Nord. Doch nicht nur die einstigen Bergwerke und Hochöfen wissen Geschichte und Geschichten zu erzählen. Spannend sind auch die tatsächlich vergessenen oder verschwiegenen Zeugen früherer Epochen: die Überreste einer alten Nazi-Autobahn, ein einstiger Fliegerhorst, eine vergessene Flussbadeanstalt, …
„Das Buch öffnet sicher einen ganz anderen Blick auf das Ruhrgebiet und zeigt ein Gesicht der Region, das bislang nur sehr wenigen bekannt ist. Zudem zeigt das Buch, dass sich hinter mancher Ruine, hinter mancher Schrottimmobilie überaus spannende Geschichten verbergen. Ob es einen Folgeband geben wird, vermag ich nicht abzuschätzen. Das Potential für ein zweites Buch ist fraglos vorhanden. Einige Orte, die ich besucht habe, sind aus Platzgründen nicht ins Buch aufgenommen. Teil des Ansatzes war es, Lost Places in möglichst vielen Teilen des Ruhrgebietes mit aufzunehmen.“ erklärt Autor Karsten-Thilo Raab augenzwinkernd.
Karsten-Thilo Raab berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen gemacht als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführer sowie Bildbänden.
Pressestimmen: “Mit “Lost & Dark Places” lässt sich eine ganz besondere Seite des Ruhrgebiets entdecken.” ― Ruhr Nachrichten
Erhältlich ist Lost & Dark Places Ruhrgebiet (ISBN: 9783734320477) von Karsten-Thilo Raab für 22,99 Euro im Buchhandel, zum Beispiel bei Amazon oder direkt beim Bruckmann Verlag.

Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.