
Die wohl schönste Art, das farbenfrohe Weltkulturerbe Willemstad auf der Karibikinsel und seine famose Streetart-Szene kennen zu lernen, ist eine Tuk-Tuk-Fahrt durch die Kultviertel Punda, Pietermaai, Scharloo und Otrobanda.

Inwieweit Taxifahrer Eugene typisch für die Vertreter seiner Zunft auf Curaçao ist, darüber lässt sich allenfalls spekulieren. Fakt ist, der dunkelhäutige Schlacks mit der Baseballkappe auf dem Kopf fährt einen überaus heißen Reifen, fast so, als wolle er sich für den Job als erster Formel-Eins-Pilot aus dem Karibikstaat bewerben. Schlimmer noch, während der Fahrt spielt er permanent an seinem Handy in der Hand herum, lenkt mit dem Knie und schreibt dabei Textnachrichten, stöbert im Internet und hat im Display seines Taxis die Filmaufnahmen eines Konzertes von Phil Collins laufen, auf das er immer wieder während der Fahrt einen entzückten Blick wirft. Umso größer ist die Erleichterung, als er schließlich am Rande des Königin-Wilhelmina-Parks in der Inselhauptstadt Willemstad zum Stehen kommt.
Dushi Bida – das gute Leben

In riesigen, weit mehr als mannshohen Lettern funkelt hier der Schriftzug „Curaçao“ mit der Sonne um die Wette. Das Dunkelblau der Buchstaben soll – wie bei der Fahne des Karibikstaates – das Blau des Himmels und des Meeres widerspiegeln, während die gelbe Umrandung für die nahezu ganzjährig scheinende Sonne auf der Insel steht. Vor dem Schriftzug wirkt Stanley Flores fast schon klein, während sein schneeweißes Tuk-Tuk einen hübschen Kontrast zum dominanten Blau bildet.

„Bon Bini na Curacao“, lässt der 72-jährige fröhlich den landesüblichen Willkommensgruß erklingen. Schon schiebt er ein nicht minder fröhliches „Dushi Bida“ hinterher. „Dies bedeute in Papiamento, unserer Landessprache, so viel wie gutes Leben“, erläutert der Glatzköpfige mit dem markanten Schnäuzer auf Englisch. Je nach Zusammenhang könne es auch „schön“, „lecker“ oder „sexy“ bedeuten, so der rüstige Rentner mit Blick auf einen weiteren großen Schriftzug in der Grünanlage mit dem Wort „Dushi“.
Geschichte der Farbpracht
„Auf Curaçao und vor allem auch in Willemstad ist alles dushi. Einfach nur schön“, verkündet Stanley mit dem Brustton der Überzeugung. Schon geht es mit dem Tuk-Tuk knatternd durch die Altstadt der 125.000-Seelen-Gemeinde mit ihren zum Teil knallbunten Häusern bis zur Hafeneinfahrt, dem Sint Annabaai. Entlang des Ufers erstreckt sich die als Welterbe unter dem Schutz der UNESCO stehende Handelskade, gerne auch als „Klein Amsterdam“ bezeichnet, mit zahlreichen pastellfarbenen Prachtbauten aus der Zeit als Willemstad ein florierender Handelsposten der Niederländischen Westindien-Kompanie war.

„Dass unsere Häuser so bunt sind, verdanken wir dem früheren Gouverneur Albert Kikkert, der im 18. Jahrhundert anordnete, dass die Gebäude nicht weiß sein dürfen“, blättert Stanley ein wenig verbal im Geschichtsbuch der Insel. Der verlängerte Arm der niederländischen Regierung soll angeblich unter Migräne gelitten haben. Die bis dahin weißen Fassaden sollen mit ihren Reflektionen im Sonnenlicht nicht nur ihm Probleme bereit haben. Seither sind fast ausnahmslos als Häuser in zum Teil knalligen Farben bunt angestrichen, was längst zum Wahrzeichen von Willemstad geworden ist.
Dunkler Schatten der Vergangenheit

An der Hafeneinfahrt befindet sich mit dem in einem kräftigen Gelbton gehaltenen, im Jahre 1636 errichteten Fort Amsterdam, das ebenfalls Teil des Weltkulturerbes ist, der Sitz der Landesregierung. Schräg gegenüber verläuft die markante Königin-Emma-Brücke. Die 167 Meter lange Fußgänger-Brücke auf Pontons, die den Beinamen „Swinging Old Lady“ trägt, verbindet die Altstadt mit dem nicht minder attraktiven Stadtviertel Otrobanda. Im Schnitt bis zu 30 Mal am Tag dreht sich das Wahrzeichen zur Seite, um Schiffe passieren zu lassen.

„So schön es hier auch ist, will ich nicht verschweigen, das hier von Willemstad aus im 17. Jahrhundert der größte Sklavenhandel in der Karibik betrieben wurde“, verhehlt Stanley eines der dunkelsten Kapitel der Inselhistorie nicht. Gleichzeitig verweist er darauf, dass im nahegelegenen Kura Hulanda Museum das traurige Schicksal des Menschenhandels auf Curaçao anschaulich aufgearbeitet wird.
Prachtvillen im jüdischen Viertel

Weiter geht es mit dem Tuk-Tuk am Sint Annabaai entlang zum Waaigat, einer innerstädtischen Bucht, an der sich der Floating Market, der „Plasma Bieu“, befindet. Vor allem Händler aus dem knapp 65 Kilometer entfernten Venezuela kommen mit ihren Booten hierher, um am Straßenrand Obst und Gemüse sowie fangfrischen Fisch feilzubieten. Angrenzend befindet sich mit Pietermaai das pulsierende Ausgehviertel von Willemstad mit einer Vielzahl von Restaurants, Cafés und hippen Kneipen.

Die Königin-Wilhelmina-Brücke führt hinüber nach Scharloo, dem lange jüdisch geprägten Stadtteil mit zahlreichen Prachtvillen, aber auch vielen leerstehenden Anwesen, die darauf warten, renoviert zu werden. Eine Tatsache, die sich vor allem junge Streetart-Künstler zu eigen machen, indem sie die runtergekommenen Fassaden mit überdimensionalen Wanderbilder, Murals, verschönern.

Gesteigert wird das Ganze noch in Otrobanda, wo die Häuserfassaden reihenweise zu grandios gestalteten Leinwänden für die Kunstschaffenden avancieren und den ebenfalls zum Weltkulturerbe gehörenden Stadtteil zu einem Gesamtkunstwerk erheben.
Streetart in Perfektion

„Jedes Jahr kommen eine Vielzahl von beeindruckenden Murals im Rahmen des Kaya-Kaya-Festival hinzu“, schwärmt Niederländer Stanley, der seit dem Jahre 2019 auf Curaçao lebt, von der pulsierenden Kunstszene. Längst kennt er seine Wahlheimat wie aus der Westentasche.

Mit dem Tuk-Tuk brettert er durch die Straßen, rollt durch enge Gassen, in denen das Knattern des Motors laut widerhallt, und in versteckte Hinterhöfe, wohl wissend, wo sich überall Kunstwerke verstecken. Und dies herrlich unaufgeregt und mit einer Eselsgeduld. Mit stoischer Gelassenheit erträgt er die vielen, vielen Fotostopps.

„Ich selber kann mich daran ebenfalls nicht satt sehen“, zeigt Stanley großes Verständnis für die magnetische Anziehungskraft, die von den teils politischen, teils amüsanten Kunstwerken als Fotoobjekte auf die „Generation Insta“ ausgeübt wird. Die nahezu überall blühende Bogaville sorgt für zusätzliche Farbtupfer.

Einige Wandbilder thematisieren die Geschichte und Kultur der Insel, erzählen von Sklavenhandel, erbittertem Widerstand und Emanzipation, andere fungieren schlicht als Gute-Laune-Blickfänge.
Künstlich eingefärbt: Blue Curaçao

Ein Farbenrausch, der natürlich nicht ohne den Genuss des Insel-Kultdrinks, des Blue Curaçaos, perfekt wäre. Obwohl Stanley, der seit dem Jahre 2019 selbst keinen Alkohol mehr trinkt, ein wenig den Zauber nimmt: „Eigentlich ist der Likör gar nicht blau, sondern klar“, weiß der langjährige Suchtberater, dass aus Marketingründen hier Lebensmittelfarbe zum Einsatz kommt.

Der Likör selbst wird aus getrockneten Schalen der Laraha-Frucht, einer bitteren Orangensorte, hergestellt, die auf Curaçao wächst. Und doch können die chemischen Zusätze irgendwie den Genuss zum Abschluss der famosen Tuk-Tuk-Tour nicht schmälern. Zumal das Getränk farblich perfekt zum Himmel und zum Karibischen Meer passt. „Dushi!“
Wissenswertes zu Curaçao in Kurzform

Informationen: www.curacao.com/de
Anreise: Ab Amsterdam mit KLM, wobei die niederländische Airline Zubringerflüge von fast allen größeren deutschen Flughäfen, von Wien und Zürich anbietet.
Lage: Curacao gehört mit Aruba und Bonaire zu den ABC-Inseln beziehungsweise den Kleinen Antillen und liegt im Südwesten der Karibik unterhalb des Hurrikan-Gürtels.

Klima: Die Durchschnittstemperatur liegt ganzjährig bei 26,6 Grad Celsius mit nur geringen Schwankungen. Auch nachts kühlt es sich kaum ab.
Währung: Währung von Curaçao ist der Karibische Gulden (Cg), der am 31. März 2025 eingeführt wurde. Diese Währung wird sowohl in Curaçao als auch in Sint Maarten verwendet und hat denselben Wert wie der frühere Niederländisch-Antillische Gulden (ANG).
Unterwegs in Willemstad

Tuk-Tuk-Tour: Die kurzweilige Tour kann je nach Länge und Personenzahl über das Curaçao Tourist Board unter www.curacao.com/de ab umgerechnet knapp 31 Euro gebucht werden.
Kaya-Kaya-Festival: www.kayakaya.org
Kulinarische Genüsse

Essen & Trinken: Gouverneur de Rouville, de Rouvilleweg 9F, Otrobanda Waterfront, Willemstad, Curaçao, Telefon 00599-9-4625999, www.de-gouverneur.com. Das an der Hafeneinfahrt gelegene Restaurant bietet lokale Spezialitäten wie Karni Stobá mit Rindfleisch, Keshi Yená, einen mit Hühnchen gefüllten Käse, sowie Fettuccine mit Trüffel an.

Sal – The Kitchen, 47 Penstraat, Willemstad, Curaçao, Telefon 00599-9-5213211, www.sal.kitchen. Die Wände des historischen Gemäuers sind aus Korallenstein, aus dem noch immer Salz bröselt, daher auch der Name des Restaurants, der übersetzt Salz heißt. Überaus schmackhaft ist die Vorspeise mit Salat und einem panierten gebratenen Ziegenkäse. Empfehlenswert ist daneben das Thunfischsteak mit karamellisiertem Rosenkohl.
Das perfekte Nachtlager

Übernachtung: Sandals Royal Curaçao, Santa Barbara Estate, Porta Blancu, Willemstad, Curaçao, www.sandals.com/royal-curacao. Das Adults-only-Resort Sandals Royal Curaçao hält 351 Zimmer und Suiten vor. Neben dem hoteleigenen Strand und einer Poollandschaft mit zwei ineinander übergehende Infinitiy-Pools nennt der 18 Hektar große Komplex sieben Restaurants, drei Foodtrucks, ein Café und 13 Bars sein eigen.

Die Recherche fand auf Einladung / Unterstützung der Sandals Resorts und dem Curaçao Tourist Board in Zusammenarbeit mit uschi liebl pr statt.

Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.