
Zwischen venezianischen Fassaden, plätschernden Wellen und dem Duft von gegrilltem Tintenfisch verliert sich in Krk auf der gleichnamigen Insel – der größten in Kroatien – schnell das Gefühl für die Zeit. Ein Schritt über das Kopfsteinpflaster, ein Atemzug salzhaltiger Luft – und schon scheint der Moment sich zu dehnen. Die Gassen sind schmal, verwinkelt und haben den Charme von Orten, die nie versucht haben, etwas anderes zu sein. Von Bougainvillea umrankte Balkone und kunstvoll geflickte Fensterscheiben erzählen Geschichten, ohne ein Wort zu verlieren.
Hier regiert der Stein – warm, geschichtsträchtig – und darunter das Leben, das sich nicht hetzen lässt. In Krk stolpert man zwischen honigfarbenen Mauern, Boutiquen, Souvenirgeschäften sowie Olivenöl- und Weinverkostungen unweigerlich über patinierte Türknäufe, kunstvoll verwitterte Fensterläden und Einheimische, die den Begriff „Dolce Vita“ offenbar als Lebensauftrag verstehen. Entspannung wird hier nicht nur geschätzt, sondern kultiviert.
Postkartenkulisse mit ureigenem Charme

In Krk scheint die Welt ein klein wenig aus den Angeln gehoben – aber auf charmante Weise. Die Postkartenkulisse ist nahezu so perfekt, dass sie einem fast ein bisschen verdächtig vorkommt. Selbst die Möwen scheinen eine Ahnung von Ästhetik zu haben. Sie posieren so plakativ auf Hausdächern, Mauern und Laternen, als wüssten sie, dass sie gleich womöglich auf einer Social-Media-Seite landen.

Krk umarmt seine Altstadt mit einer imposanten Stadtmauer, die Teilen begehbar ist und einen schönen Ausblick auf das historische Zentrum und die türkisfarbene Adria bietet. Die Befestigung stammt aus römischen und venezianischen Tagen, was man ihr auch ansieht: kein nüchterner Zweckbau, sondern eine steinerne Selbstbehauptung gegen Piraten, Eroberer und vermutlich auch gegen zu neugierige Touristen mit Selfie-Sticks.
Ein kroatischer Geoge Clooney

„Für mich ist die Stadtmauer ein bisschen wie ein kroatischer George Clooney – in Würde gealtert, aber immer noch ein echter Hingucker“, flachst eine sichtlich entzückte Amerikanerin, die selbst, um es wohlwollend auszudrücken, schon längst in die zweite Hälfte ihres Erdendaseins eingetreten ist.

Das Haupttor, das Vela-Tor, ist seit jeher der wichtigste Zugang zur Altstadt. Mit seinem massiven Torbogen markiert es den Übergang zwischen modernem Leben und historischem Stadtgefüge. Weniger auffällig, aber ebenso geschichtsträchtig ist das Kleintor, das einst vor allem für Händler und Bewohner genutzt wurde und heute einen ruhigeren Zugang bietet.
Ein Wimmelbild der Geschichte

Integriert in das Verteidigungsbollwerk aus längst vergangenen Tagen ist das Frankopan-Kastell: Die mittelalterliche Festung direkt am kleinen Hafen ist das Wahrzeichen der Stadt. Errichtet zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert von der Adelsfamilie Frankopan, diente die Festung einst dem Schutz der Stadt. Der älteste Teil ist der quadratische Turm, der ursprünglich als Glockenturm genutzt wurde und später als Gerichtssaal diente. Eine Inschrift über dem Eingang datiert das Baujahr auf 1191.

Die Mauern und Türme des Kastells erweisen sich als eine Art architektonisches Puzzle aus römischen und frankopanischen Teilen. Zwischen Schießscharten und Wassertanks entdeckt man Grabsteine, Kornmaße und römische Inschriften – quasi ein archäologisches Wimmelbild für Geschichtsnerds und historisch Interessierte.
Der trompetende Begrüßungsengel

Nicht minder bedeutsam für Krk ist die Kathedrale Mariä Himmelfahrt, die seit Jahrhunderten das geistliche Zentrum der Adria-Insel bildet. Ihre Ursprünge reichen bis ins 5. Jahrhundert zurück, als sie auf den Fundamenten römischer Thermen errichtet wurde. Dabei vereint der in Nord-Süd-Richtung angelegte Sakralbau Elemente der Romanik, Gotik, Renaissance und Barock zu einem harmonischen Ensemble. Oben auf dem Glockenturm thront ein trompetenspielender Engel. Er bläst – weithin sichtbar – seit Jahrhunderten scheinbar zur Begrüßung, ganz gleich ob man per Fähre, Flipflop oder Fahrrad anreist.

Zwischen dem Gotteshaus und der Festung bildet der Kamplin-Platz das pulsierende Herzstück von Krk. Einst Schauplatz römischer Aufmärsche und mittelalterlicher Ritterturniere, ist er heute eher die Bühne für das tägliche Theater des Lebens – mit Touristen als Hauptdarsteller und Tauben als Statisten.
Genussmomente in Krk

Dabei ist Krk nicht nur ein Paradies für Flaneure und die wachsende Zahl derjenigen, die ihre eingefangenen Motive mit Hashtags versehen, hinaus in die Welt schicken. Denn in der wundervollen Altstadt sollte man nicht nur mit den Augen und dem Okular der Kamera unterwegs sein, sondern immer auch mit dem Geschmackssinn.

In kleinen Konobas, oft versteckt hinter unscheinbaren Türen, brodeln Töpfe mit schmackhaften Gaumenfreuden, deren Rezepturen von Generation zu Generation weitergegeben werden. Ewig junger Klassiker auf den Tellern sind dabei Šurlice – handgemachte Nudeln, traditionell mit Fleischragout oder Meeresfrüchten serviert. Nicht fehlen darf daneben der Pršut, luftgetrockneter Rohschinken. Dazu wird gerne mit dem Žlahtina eine goldgelbe Inselspezialität eingegossen. Die Traube dieses fruchtig-trockenen Weines wächst ausschließlich an der Ostküste von Krk rund Vrbnik, das ebenfalls unbedingt ein Besuch wert ist. Und nach drei, vier Gläsern des Žlahtinas vermögen die meisten dem Vokalmangel zu trotzen und sogar Ortsbezeichnungen wie Krk oder Vrbnik fast akzentfrei auszusprechen…

 
    Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.
 
 
		 
		 
		