Die Würzburger Residenz – ein imposantes Kunstwerk europäischen Ranges

Ein Kunstwerk besonderer Güte: Der Gartenbrunnen und die Würzburger Residenz.
Ein Kunstwerk besonderer Güte: Der Gartenbrunnen und die Würzburger Residenz.

Kaum war Johann Philipp Franz von Schönborn 1719 zum Fürstbischof gewählt worden, da ließ er den korrupten Finanzdirektor seines Vorgängers vor Gericht stellen. Mit der ungeheuren Strafsumme von 600.000 Gulden wurde der Grundstock zu diesem „Schloss über allen Schlössern“, dem herrlichsten Schloss des deutschen Barock, gelegt. Mit der Planung beauftragte der Fürstbischof seinen Ingenieur-Hauptmann Balthasar Neumann, der 1711 als Geschützgießergeselle von Eger nach Würzburg gekommen war und als Autodidakt Architektur studiert hatte. Er blieb nicht der einzige Planer, denn des Fürstbischofs Oheim Lothar Franz, Kurfürst und Erzbischof von Mainz, schickte zur Mitgestaltung seine „Bau-dirigierungsgötte“ nach Würzburg, und sein Bruder, der in Wien lebende Reichsvizekanzler Friedrich Carl, ließ die Pläne von Lucas von Hildebrandt, dem Schöpfer des Schlosses Belvedere, kritisch durchsehen. Um nichts zu versäumen, schickte der Bauherr Neumann nach Paris, um die Pläne den führenden französischen Schlossarchitekten Robert de Cotte und Germain Boffrand vorzulegen.

Die imposante Gartenfront der Würzburger Residenz. (Foto Rainer Lippert)
Die imposante Gartenfront der Würzburger Residenz. (Foto Rainer Lippert)

Trotz mancher Korrekturen entstand ein geschlossener und symmetrischer Bau, denn nicht einmal der Hofkirche wurde eine Sonderstellung eingeräumt; sie wurde, von außen unauffällig, ins Südosteck eingepasst. In dem riesigen Bauwerk kamen nicht nur der Hofstaat und die Verwaltung des wohlhabenden Kleinstaates unter, sondern auch die zahlreichen Repräsentationsräume, die nicht nur von der Bedeutung des Staates zeugten, sondern auch den Ruhm des Hauses Schönborn verkündeten, das in der 3. Generation geistliche Fürsten an Rhein, Mosel und Main stellte. Folgerichtig übernahm Friedrich Carl von Schönborn nach dem Tod seines Bruders und einer fünfjährigen Pause die Vollendung der Residenz, nachdem er 1729 Fürstbischof von Würzburg und Bamberg geworden war. Die Innenausstattung vollendete dann ihr Neffe, der 1755 zum Fürstbischof erwählte Adam Friedrich von Seinsheim.

Die Stadtseite der Würzburger Residenz. (Foto: Bayerische Schlösserverwaltung)
Die Stadtseite der Würzburger Residenz. (Foto: Bayerische Schlösserverwaltung)

Zur Stadtseite hin treten zwei breite Flügel vor, über deren Erd- und Hauptgeschoß je ein schmales Mezzanin folgt, in denen Verwaltung und Dienerschaft untergebracht waren. Sie sind wie die ganze Residenz mit dem warmen gelben Sandstein verkleidet, der in der Sonne leuchtet.

Der tief eingeschnittene Ehrenhof zwischen den Flügeln führt auf die drei Portale des Mittelbaus zu, in den man zwei- oder vierspännig einfuhr bis zum Ansatz der großen Stiege. Dieses mächtige Stiegenhaus überspannte zum Staunen der Zeitgenossen Balthasar Neumann mit einem freitragenden Muldengewölbe, dessen Fläche von 576 qm der Venezianer Giovanni Battista Tiepolo mit seinen Söhnen 1752/53 mit dem größten Deckenfresko der Welt bedeckte. An den Rändern stellte Tiepolo die damals bekannten vier Erdteile dar (von Australien wusste man noch kaum etwas), wobei an der schmalen Südseite Europa als Heimat der Künste und Wissenschaften gefeiert wird. Hier hat sich der Künstler nicht nur selbst porträtiert, er malte auch den Baumeister Neumann in der Uniform eines Artillerieobersten in die Mitte der leuchtenden Farben auftretenden Schar.

Monumental und beeindruckend: Das Treppenhaus der Würzburger Residenz. (Foto: Bayerische Schlösserverwaltung)
Monumental und beeindruckend: Das Treppenhaus der Würzburger Residenz. (Foto: Bayerische Schlösserverwaltung)

Über Europa tragen Putten das Medaillon mit dem Brustbild des Fürstbischofs Karl Philipp von Greiffenclau, der die Venezianer nach Würzburg geholt hatte. Über den anderen Erdteilen schweben die Gestirnsgötter, inmitten der aufgehenden Sonne führt Apoll seine Rosse herauf, taucht das „große Welttheater“ in Licht und Farbe. Durch den Weißen Saal mit seinem bizarren Rokokostuck von Antonio Bossi gelangt man zum Zentrum der 167 m langen Gartenfront, zum Kaisersaal, der erst unter Karl Philipp von Greiffenclau ausgestattet wurde. Antonio Bossi schuf die einzigartigen Figuren von Neptun und Juno, Flora und Apoll für die Nischen der Schmalseiten. Darüber malte Tiepolo al fresco die Hochzeit Kaiser Friedrich Barbarossas mit Beatrix von Burgund im südlichen Gewölbefeld, gegenüber jedoch die Belehnung des Würzburger Bischofs mit dem Herzogtum Franken. Verbunden werden beide Darstellungen im Gewölbespiegel mit der Allegorie „Apoll führt dem Genius des Kaisertums die Braut Burgund zu“.

Vom Kaisersaal aus zieht eine jeweils 80 Meter lange Flucht von Repräsentationsräumen nach Norden und nach Süden, eine Enfilade, da die offenen Türen, im gleichen Abstand von der Mauer angelegt, den Blick durch den ganzen Bau gestatten. Höhepunkte sind das Grünlackierte Zimmer am nördlichen Ende der Enfilade mit feinsten Malereien und im Südtrakt das vielbewunderte Spiegelkabinett, dessen Hinterglasmalereien einst aus Murano kamen. Am 16. März 1945 wie die meisten Repräsentationsräume total zerstört, wurde es nach Fotographien und Farbresten in mühevoller Kleinarbeit rekonstruiert und als letzter Schauraum der Residenz 1987 dem Publikum wieder zugänglich gemacht. Beim großen Brand nach dem Bombenangriff wurde zwar der Mittelbau mit dem Treppenhaus, dem Weißen und dem Kaisersaal gerettet, doch sorgte erst ein amerikanischer Kunstschutzoffizier für einen Dachstuhl, der Regen und Frost abhielt.

Tiepolos famoses Deckengemälde.
Tiepolos famoses Deckengemälde.

Die Tiepolos waren nicht die einzigen Künstler, die „sich hier ebenmäßig verewigten“. Schon die Schönbornbischöfe hatten den Bildhauer Claude Curé aus Versailles geholt und den Maler Rudolf Byss aus Solothurn, den Stukkateur Antonio Bossi mit seinen Neffen aus Lugano, den aus Silz in Tirol stammenden Kunstschmied Johann Georg Oegg aus Wien, woher auch der Hafner Domenic Eder kam. Aus Mecheln kam der Bildhauer Jacob van der Auvera und aus der Nähe von Prag der Gartengestalter Procop Mayer, aus Franken schließlich der Kunstschreiner Mattern aus Schillingsfürst und der Bildhauer Johann Peter Wagner aus Theres, Schöpfer zahlreicher Putten und Figurengruppen. Eine freie Gestaltung gab es nicht, denn bis ins letzte Detail hinein bestimmten die kunstsinnigen Fürstbischöfe mit, hatten sie doch in Rom studiert und auf Reisen ihren Geschmack gebildet.

Ein letzter Höhepunkt ist die äußerlich so unscheinbare Hofkirche. Neumann, der alle anderen Pläne abweisen konnte, gelang es, das schlanke Rechteck in drei Ovale aufzuteilen, ohne die Fassade zu durchbrechen. Lucas von Hildebrandt konnte sich nur bei der üppigen Dekoration durchsetzen, die in dem dreifach ein- und ausschwingenden Raum mit Gold, Schwarz und Weiß prangt. Die gewundenen Säulen der Seitenaltäre wurden eigens zu Schiff aus Massa Carrara herangeschafft. Sie rahmen die Bilder „Engelsturz“ und „Himmelfahrt Mariens“ von G. B. Tiepolo. Die Figuren der Seitenaltäre und vor dem Hauptaltar (der in Würzburg ermordete Glaubensbote St. Kilian und Würzburgs erster Bischof Burkard) schuf Johann Wolfgang von der Auvera. 1743, ein Jahr vor Vollendung der Residenz, konnte die Hofkirche geweiht werden.

Nicht von ungefähr steht die Würzburger Residenz als Weltkulturerbe uznter dem Schutz der UNESCO. (Foto Christian Horvat)
Nicht von ungefähr steht die Würzburger Residenz als Weltkulturerbe uznter dem Schutz der UNESCO. (Foto Christian Horvat)

Im Osten und Süden der Residenz legte Procop Mayer einen Hofgarten im französischen Stil an, der sich heute vereinfacht präsentiert. Von vielen Hofgärten seiner Zeit unterscheidet sich der Würzburger bis heute, weil auch der hohe Wall hinter der Bastionsmauer ins Konzept einbezogen wurde. An der Podesttreppe zum baumbestandenen Wall stehen, im gelben Sandstein verewigt, Savoyardenknaben, die zu Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheims Zeiten mit Murmeltieren und Mausefallen, Bandelkram und Theriak die Lande durchzogen.

Die Figurengruppe „Zeus entführt Europa“ und „Hades entführt Proserpina“ im südlichen Gartenparterre sind Arbeiten Johann Peter Wagners. Zuletzt wurde der Platz vor der Residenz gestaltet. Als Gegenstück zum alten Palais Rosenbach im Norden wurden im Süden der Gesandtenbau errichtet und von beiden Gebäuden eine Kolonnade nach Westen geführt, die an einer schlanken hohen Säule enden, die von einer Kugel gekrönt werden. Die Schauräume werden jedes Jahr von rund 450 000 Besuchern bewundert. In die schmucklosen Räume zogen, sie damit erhaltend, im Nordflügel das Staatsarchiv und die Schlossverwaltung, in den Südflügel das Martin-von-Wagner-Museum mit der exzellenten Sammlung grie-chischer Vasen und verschiedene Universitätsinstitute. Dort bewahrt man auch Pläne und Skizzenbücher Neumanns und anderer Künstler des Residenzbaus auf. Weitere Informationen unter www.residenz-wuerzburg.de.

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