La Gomera – wild und ungezähmt

La Gomera
Weithin sichtbare Landmarke auf La Gomera ist der markante Roque de Agando.

Schwarzer Sand, magische Felsen, mystische Wälder: La Gomera, die zweitkleinste Insel der Kanaren fasziniert, inspiriert und fordert heraus. Das Ganzjahresziel, mit seinen untypischen Facetten, ist vor allem für Besucher geeignet,  die sich abseits des Herkömmlichen bewegen möchten.  Dabei muss manLa Gomera lieben – oder man muss es sein lassen. Denn wer meint, er könnte die Widerspenstige zähmen, wird kläglich scheitern. Sanft, bequem, luxuriös, oberflächlich – gibt es hier nicht. Wenn man sich aber von geheimnisvoller Schönheit, einem einzigartigen Charakter und überraschender Raffinesse angezogen fühlt, wird man begeistert sein und wiederkommen.

Schon die Anreise ist nicht ganz unkompliziert und erfordert ein wenig Planung: Direkt aus Deutschland kommend, fliege ich zunächst nach Teneriffa, wo mich die ersten Palmen und warmen Sonnenstrahlen empfangen. Mit dem Bus geht es weiter an den Hafen von Los Christianos. Von hier aus dauert die Überfahrt mit der Fähre nach San Sebastián, der Hauptstadt von La Gomera, circa 50 Minuten. Hier, in der größten von sechs Haupt-Gemeinden, leben rund 10.000 Menschen. Das ist die Hälfte der Gesamteinwohnerzahl. Und trotzdem ist nicht wirklich viel los. Ganz entspannt kann man das Städtchen an einem Tag erkunden und sich schon mal auf die beschaulichen Häuser im spanischen Kolonialstil, wenig bevölkerte Straßen, steile Felswände und dunkle Strände einlassen.

Erinnerung an einer großen Seefahrer

Die bergige Landschaft der Atlanti-Insel eröffnet immer wieder spektakuläre Ausblicke.

Der Hafen, kleine Geschäfte, die Stadtkirche, das archäologische Museum, das Kolumbus-Haus, die Sebastián-Kapelle und ein Park mit einem trutzigen Steinturm sind die wichtigsten Hauptattraktionen. Wobei der Torre del Conde als Wahrzeichen von San Sebastián de La Gomera gilt. Der “Grafenturm” aus dem 15. Jahrhundert sollte seinerzeit die herrschaftliche Macht repräsentieren. Zwei Jahrhunderte später wurde er von Christoph Columbus besucht, bevor dieser zur berühmten Entdeckung Amerikas weiterreiste. Eine lebensgroße Statue des Seefahrers auf dem Plaza de las Américas erinnert an das Ereignis, auf das die Gomeros noch heute sehr stolz sind.

Für eine Übernachtung und ein hervorragendes Abendessen in der Küstenstadt empfiehlt sich das Parador. Inmitten von herrlichen Gärten thront die historische Villa auf einem Hügel und offenbart einen wunderbaren Blick auf die gesamte Bucht von San Sebastián. Mindestens genauso beeindruckend ist das feine Essen im Restaurant des 4-Sterne-Hotels.

Die Schöne mit den zwei Gesichtern

La Gomera
Agulo im Norden der Insel besticht durch einen ganz besonderen Charme.

Neben den leckeren Speisen ist die Landschaft das eigentliche Highlight der Insel. Wer sich auf den Weg macht, um diese zu erkunden, wird schnell erkennen, dass sie sich im Norden und im Süden sehr gegensätzlich gestaltet. Während der Norden von grünen Wäldern, stürmischen Felsküsten, kühleren Temperaturen und manchmal dichten Nebelschwaden dominiert wird, herrscht im Süden karge Trockenheit, durchzogen von schroffen Schluchten und schwarzen Stränden. Miteinander verbunden werden die beiden Kontraste von einem mittlerweile gut ausgebauten Straßennetz, das sich über unzählige Kurven hinauf und hinunter windet und deutlich klar macht, dass man die schöne Wilde auch durch noch so viel Fortschritt nicht bändigen kann.

Unsere kleine Reisegruppe bricht am zweiten Tag in den Norden nach Agulo auf. Das kleine Dorf gehört zu den schönsten Spaniens und gilt als Sahnehäubchen der Gomera-Berge, das sich gleichzeitig als pittoresker Aussichtspunkt nützlich macht. Während wir auf dem rustikalen Kopfsteinpflaster durch die schmalen Gässchen, zwischen einfachen authentischen Häusern schlendern, wird unser Blick von zahlreichen Kleinigkeiten angezogen: Dichte Blütentrauben, die in leuchtendem Fuchsia vor weiß verputzen Wänden posieren, ein salbeigrüner Fensterladen von dem die Farbe abblättert, ein ziegelroter Holzstuhl, der in ein Geländer eingebaut wurde und einen Platz zum Ausruhen auf dem steilen Weg die Straße hinauf bietet.

Bergauf oder den Berg hinunter

Um die Weitblicke genießen zu können, geht es auf La Gomera immer wieder hoch und runter.

Denn irgendwie geht es auf Gomera immer entweder bergauf oder den Berg hinunter, während sich irgendwo im Hintergrund mächtige Felswände zum Himmel auftürmen und in der anderen Richtung weiter vorn der Atlantik glitzert. So ist das auf Gomera. Man muss sich einlassen auf die Insel. Einfach mal schnell von Teneriffa rüber jetten und bei einem Tagesausflug möglichst viel mitnehmen – funktioniert nicht wirklich. Denn die vielen Kurven, Höhen- und Temperaturunterschiede, die Naturschauspiele und -kontraste sind anspruchsvoll. Am besten nimmt man sich etwas Zeit, wechselt zwei- bis dreimal den Standort zum Übernachten und geht möglichst viel zu Fuß.

Für Wanderer ist La Gomera nämlich ein wahres Schlaraffenland. Die fast kreisrunde Insel mit gerade mal 25 km Durchmesser bietet etwa 600 km gut ausgeschilderte Wanderwege, die zwischen rund 50 Schluchten (Barrancos) durch die fantastisch zerklüftete Landschaft führen. Über Stock und Stein, rote Erde, federnden Waldboden und verwucherte Dschungelpfade wird der Weg niemals langweilig, und man kann sich eigentlich nicht verlaufen.

Moosbewachsenes Weltnaturerbe

Die Flora und Fauna auf La Gomera ist durch die Einflüsse des Atlantiks geprägt.

Im Grunde ein Muss für Wanderfans und Naturliebhaber ist der Nationalpark Garajonay, der mit seinem erstaunlichen Laurisilva-Feuchtwaldgebiet die Sinne verzaubert und gerne auch vernebelt. Denn je nach Tages- und Jahreszeit hüllen sich Teile des Waldes und auch der höchste Punkt der Insel, der Alto de Garajonay, mit einer Höhe von 1.487 Metern, gerne in einen weißen Schleier. Vom sogenannten horizontalen Regen begünstigt, entstand fast genau in der Mitte der Insel eine dichte, urwaldartige Vegetation, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Moosbewachsene Baumstämme, üppige Farne, schillernde Tautropfen und Sprühnebel im Gegenlicht, machen den Spaziergang zu einem Erlebnis, das man riechen, schmecken und fühlen kann. Waldbaden pur! Oder Wald-Watching, wie mein Reisekollege Klaus so schön kommentierte, dass wir bei unserer Tour durch das Biosphärenreservat nur sehr langsam vorankommen, weil wir immer wieder stehen bleiben und staunen müssen.

Hölzerne Liebesquellen

Blick auf die kleine Insel-Kapitale San Sebastián de La Gomera.

Genauso erlebnisreich war unsere Wanderung zu den Chorros de Epina, den sogenannten Liebesquellen von Vallehermoso. Dabei handelt es sich im Grunde um sieben hölzerne Wasserleitungen, die das ablaufende Bergwasser in ein großes Wasserbecken leiten. Der Legende nach soll das Wasser Zauberkräfte besitzen – die Geschichten ranken sich von Heilung über Weissagung bis hin zum Liebeselixier. Der bekanntesten zufolge, soll von links nach rechts aus den sieben Holzläufen getrunken werden. Die Rohre mit den geraden Zahlen sind für die Frauen, die mit den ungeraden für die Männer. Aus den ersten beiden „chorros“ fließt Gesundheit, aus den nächsten beiden die Liebe, der fünfte und sechste bringt Lebensglück und der siebte ist den Hexen vorbehalten.

Felsen und Aussichten im Überfluss

Egal wo und wie man sich auf La Gomera fortbewegt – hinter jeder dritten Kurve wartet im Grunde ein Aussichtspunkt. Es sind so viele, dass man sie gar nicht aufzählen kann. Ein recht spektakulärer ist der Mirador de Abrante. Dabei handelt es sich um einen gläsernen Balkon über dem Atlantik, der 2014 im Gemeindegebiet Agulo errichtet wurde. Sowohl der Boden als auch die Wände sind aus Glas gebaut und schweben 600 Meter über dem Meeresspiegel in der Luft. Auf einer Länge von sieben Metern schreitet man sozusagen ins Nichts und hofft, dass sich die Baumeister ihrer Sache sicher waren.

Die Statue des Rebellen Hautacuperche bilden einen besonderen Blickfang.

Nicht ganz so nervenaufreibend, aber nicht minder beeindruckend, ist der Mirador del Morro de Agando. Die Aussichtsplattform bietet eine atemberaubende 360-Grad-Rundum-Sicht auf die Felsgruppe Los Roques. Ihr majestätischer Anführer ist der Roque Agando, ein ehemaliger Vulkanschlot. Mit seiner auffälligen, spitzen Form und 1.251 Metern Höhe macht er sich nebenbei als Wahrzeichen von La Gomera nützlich. Auch um ihn ranken sich spannende Sagen. So soll er ein versteinerter Liebender sein, der sich einst mit seiner Angebeteten vom höchsten Punkt der Insel stürzte, weil sie nicht zusammen sein durften. Wer hier im Abendlicht steht und die Urkräfte der Natur auf sich wirken lässt, wird in jedem Fall spüren, wie der eigenen Fantasie Flügel wachsen … und eine wohltuende Gänsehaut über sie streicht.

Pfeifendes Weltkulturerbe

Ähnlich eindrucksvoll ist die Demonstration der Pfeifsprache von Jorge Morales vom Restaurante La Laguna Grande. Wir treffen ihn an Gomeras größtem Picknick- und Abenteuerspielplatz Laguna Grande, der an einem ausgetrockneten Kratersee am Südwestrand des Parque Nacional de Garajonay liegt. Der Platz ist außerdem ein Ausgangspunkt für mehre Wanderwege. Neben dem Spielplatz beginnt auch gleich ein etwa zwanzigminütiger Lehrpfad durch den berühmten Lorbeerwald, der in englischer und spanischer Sprache beschildert ist.

Mit seinem gläsernen Balkon überaus spektakulär: Der Aussichtspunkt Mirador de Abrante.

El Silbo oder Silbo Gomero, wie die Pfeifsprache genannt wird, dient seit tausenden Jahren dazu, sich in den Bergen über weitere Entfernungen miteinander zu verständigen. Laut UNESCO ist sie die einzige Pfeifsprache, die vollständig entwickelt ist und noch heute von einem großen Teil der Bevölkerung praktiziert wird. Jorge erzählt uns, dass er die Sprache von seinem Vater gelernt hat. Er nutzt sie zum Beispiel, um in seinem Restaurant mit seiner Schwester zu kommunizieren, und ihr auch bei hohem Betrieb, Informationen über die Köpfe der Gäste hinweg, zukommen zu lassen.

Obwohl man mit El Silbo fast jedes spanische Wort nachpfeifen könnte, ist es keine Sprache, die dazu dient, sich miteinander zu unterhalten. Sie wird eher verwendet um kurze Nachrichten zu übermitteln. Lange galt diese Kommunikationsform als rückständig. Heute gehört sie zum Weltkulturerbe und wird sogar in der Schule unterrichtet.

Los Organos: Die Meeresorgel

Der Faszination der Felsformationen kann sich auf la Gomera kaum jemand entziehen.

Neben all den Wanderwegen und Naturschönheiten darf natürlich auch das Meer nicht zu kurz kommen. Ob Sonnen, Schwimmen, Surfen oder Tauchen – der Atlantik und die dunkel funkelnden Strände laden zu unterschiedlichsten Vergnügungen ein. Auch Delfine und Wale tummeln sich gerne vor den Küsten der schönen Kanarin und können bei einem Bootsausflug beobachtet werden. Mein persönliches Highlight ist ein Trip zu den Orgelpfeifen von Los Organos. Das herrlich geformte Felsmassiv an der Nordküste von La Gomera kann man nur vom Wasser aus bewundern. Auch dabei ist man auf die Launen der temperamentvollen Insel angewiesen. So kann man Los Organos nur bei ruhigem Seegang ansteuern.

Wir haben Glück und erleben einen herrlich entspannten und sonnigen Tag auf dem Meer. Mit Tina Excursiones starten wir in Valle Gran Rey und erreichen nach ca. eineinhalb Stunden Fahrt die als schönste Basaltformation der Kanaren geltende Felswand. 80 Meter hoch und 200 Meter breit ragt sie hoheitsvoll aus dem Meer empor. Durch langsames Abkühlen und gleichzeitiges Schrumpfen von Magma entstanden schmale Säulen von seltener Gleichmäßigkeit, die an Orgelpfeifen erinnern. Und wie ich nur wenige Meter vor dem Naturwunder an Deck unseres Bootes stehe und hinaufsehe, fühle ich mich ein bisschen wie in einer Kathedrale des Meeres. Fehlt nur noch, dass Neptun aus den Tiefen emporsteigt, um ein kleines Konzert zu geben.

Wissenswertes zu La Gomera

Bisweilen überaus spektakulär gibt sich auch die Küstenlinie der Kanareninsel.

La Gomera ist die zweitkleinste von sieben Inseln, die zusammen die zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln bilden. Sie liegt etwa 30 Kilometer westlich von Teneriffa. An vielen Stellen der Insel kann man deshalb an klaren Tagen einen Blick auf den Teide, den höchsten Berg Spaniens, genießen. Die komplette Insel La Gomera wurde von der UNESCO zum Biosphären-Reservat erklärt, das außerdem zwei Weltkulturgüter beherbergt: den Garajonay Nationalpark und die Pfeifsprache Silbo Gomero. La Gomera möchte sich selbst vom Massentourismus distanzieren. So wird die Insel nur von etwa einem Prozent der Kanaren-Urlauber besucht. Die Hotels sind eher klein bis mittelgroß. Viele lokale Produkte weisen mit einer Null-Kilometer-Angabe darauf hin, dass sie von der Insel stammen, und somit keine Transportwege nötig waren. Naturliebhaber, Wanderurlauber und Ruhesuchende finden auf La Gomera eine unberührte und abwechslungsreiche Natur mit jahrtausendealten Wäldern, beeindruckenden Aussichtspunkten und einer zerklüfteten Vulkanlandschaft.

Anreise: Von Deutschland aus fliegen verschiedene Airlines in ca. fünf Stunden nach Teneriffa. Von dort aus geht es mit der Fähre weiter nach La Gomera. Auch von La Palma oder El Hierro aus kann man La Gomera gut über das Wasser erreichen.

La Gomera ist eine landschaftliche Schönheit mit zahllosen Gesichtern.

Klima: Das Klima auf der Insel ist mild und gemäßigt mit einer jährlichen Durchschnittstemperatur von 22 Grad, sodass man hier zu jeder Jahreszeit Urlaub machen kann.

Aktivitäten: Die Insel bietet über 600 Kilometer Wanderwege, zahlreiche Wassersportaktivitäten sowie die Möglichkeit Wale und Delfine zu beobachten.

Hotel und Restaurant-Tipps

Hecansa Hotel Casa de Los Herrera, Hermigua: Gegenüber der hübschen Kirche von Hermigua bietet das kleine liebevoll eingerichtete Hotel im kanarischen Stil eine authentische Unterkunft zum Wohlfühlen. Besonders empfehlenswert sind die raffinierten Gourmet-Menüs mit passenden Weinen für 50 Euro. Diese werden stilvoll im Restaurant im Erdgeschoss von den Schülern der Hotelfachschule Teneriffa kredenzt.

Rund um die Insel sind Grindwal anzutreffen.

Tasca el Enyesche, Playa de Santiago: Das kleine und eher unscheinbar eingerichtete Restaurant zaubert vollendete traditionelle Gerichte mit einem köstlichen Hauch Extravaganz. Unbedingt probieren!

Parador de La Gomera, San Sebastián: Ein spektakulärer Blick auf den Atlantik, eine großzügige Gartenanlage mit Außenpool und eine ausgezeichnete Küche verwöhnen die Besucher des ruhigen Hotels im Kolonialstil.