Chicago zwischen Bohne und Trump Tower

Chicago
Das begehrteste Fotoobjekt in Chicago ist die Skulptur The Bean.

Die „Windy City“ macht ihrem Namen alle Ehre. Unaufhörlich weht eine steife Brise durch Downtown Chicago. Nicht auszudenken, wie es wäre, wenn die vielen Wolkenkratzer nicht als Windfang dienen würde. Immer wieder blitzt die Sonne zwischen den Häuserschluchten durch und lässt die metallene Oberfläche von The Bean („Die Bohne“) strahlend funkeln. Es gibt wohl niemanden, der hier nicht ein Selfie mit der, sich in der Oberfläche spiegelnden Skyline auf den Digitalchip seines Smartphones bannt. Die Bohne, die offiziell auch „Cloud Gate“ heißt, wurde vom indisch-englischen Künstler Anish Kapoor entworfen und besteht im oberen Teil aus 168 auf Hochglanz polierten Edelstahlplatten.

Ein Selfie mit der „Bohne“ ist fast schon Pflicht. – Foto: Karsten-Thilo Raab

„Würde es für jedes Foto nur einen Dollar geben, wäre Chicago wohl eine der reichsten Städte der Welt“, flachst eine junge Britin, während sie ihr gefühlt 50. Foto von sich und dem bohnenförmigen Silberling erstellt. Statt in Geld zu schwimmen – und auch dies soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden – finden sich in Chicagos Innenstadt unzählige Bettler. Diese haben sich vor allem entlang der Michigan Avenue positioniert. Wohl auch, weil die als „Magnificent Mile“ titulierte Prachtstraße nicht nur die eleganteste Einkaufs-, sondern mit ihren vielen Museen auch wichtigste kulturelle Achse der Millionenstadt am Lake Michigan ist.

Hommage an die größten Schriftsteller der USA

Das American Writer’s Museum widmet sich den größten Schriftstellern des Landes. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Das direkt an der Michigan Avenue gelegene American Writer‘s Museum widmet sich dem Leben und Werk der namhaftesten US-amerikanischen Schriftsteller. Gleichzeitig können sich Interessierte in der Ausstellung „Mind of a writer“ schrittweise an die Arbeit der Literaten heranführen lassen. An anderer Stelle laden eingespannte Blätter in alten Schreibmaschinen dazu ein, einfach mal spontan in die Tasten zu hauen und die Gedanken zu Papier zu bringen. Andere Besucher sind dann gehalten, den Text weiter zu schreiben bzw. mit eigenen Ideen zu vervollständigen.

Giganten der Urzeit faszinieren im Field Museum die Massen.

Auch Sue, der besterhaltene Tyrannosaurus Rex der Welt, ist an der „Magnificent Mile“ zu Hause. Genauer gesagt im famosen Field Museum of Natural History. Sechs riesige, animierte Panorama-Leinwände dienen dem urzeitlichen Fleischfresser als Hintergrund und lassen die Welt der Dinosaurier auf eindrucksvolle Weise aufleben. Die interaktive Show zeigt den T-Rex nicht nur bei der Jagd und beim Kampf, sondern sogar dabei, wie er sein „urzeitliches Geschäft“ verrichtet.

Vom Basketballstar in Chicago zum Steak-Bräter

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Mekka für Kunstliebhaber: Das Art Institue of Chicago. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Die Nachbarn von Sue sind ebenfalls überaus beachtenswert. Der Bogen spannt sich vom beeindruckenden Shedd Aquarium über das Adler Planetarium bis hin zum renommierten Art Institute of Chicago. Letzteres vereinigt mehr als sage und schreibe 300.000 Kunstwerke aus fünf Jahrtausenden unter seinem Dach. Darunter viel beachtete Meisterwerke wie die Gemälde „American Gothic“ von Grant Woods oder das berühmte „Selbstbildnis“ von Vincent van Gogh.

Vom Art Institue of Chicago bieten sich herrliche Blick auf die Skyline. – Foto Karsten-Thilo Raab

Für Naschkatzen ist das populäre Nutella Café an der Ecke Michigan Avenue und East Lake Street fraglos ein willkommener Anlaufpunkt, während für Basketball-Liebhaber und Sport- Enthusiasten Michael Jordan’s Steak House an der Magnificent Mile ein Muss ist. Hier dokumentiert der ehemalige NBA-Superstar der Chicago Bulls, dass er auch als Steak-Bräter eine Klasse für sich ist. Auch sonst muss in der „Windy City“ als Restaurant-Hauptstadt der USA bei insgesamt 7.300 (!) Speiselokalen niemand Hunger leiden. Allein bleibt die Qual der Wahl.

Ganz hoch hinaus

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Faszinierender Blick vom Hancock Tower. – Foto Karsten-Thilo Raab

Wer der grö0ten Stadt im US-Bundesstaat Illinois aus Schwindel erregender Höhe aufs Haupt schauen möchte, muss sich ebenfalls entscheiden: Erste Adresse war hier lange der Willis Tower, früher Sears Tower genannt. Der Hochhausgigant war bis zum Jahr 2013 mit 443 Metern (die Spitze ragt sogar 527,3 Meter auf) das höchste Gebäude der Welt.

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The Tilt im Hancock Tower ist nur für Schwindelfreie. – Foto Karsten-Thilo Raab

Nicht weniger lohnend sind die gigantischen Rundumblicke vom 344 Meter hohen Hancock Tower. Im 94. Stock lädt die Galerie „360 Chicago“ zu atemberaubenden An- und Aussichten auf die Stadt und den Lake Michigan ein. Einen besonderen Nervenkitzel verspricht dabei The Tilt. In kippbaren, bodenhohen Fenstern werden Wagemutige in 315 Metern über Normalnull um 30 Grad nach vorne über die Straße gekippt.

Adrenalinkick für Schwindelfreie

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Spiegelung in einerWolkenkratzer-Fassade – Foto Karsten-Thilo Raab

„Ab 26 Grad Neigung glaubt der Mensch, zu fallen“, weiß Tony Wong, Manager von 360 Chicago, zu berichten, dass es nicht jedermanns Sache ist, die Physik ein wenig auszuschalten. Nicht wenigen bricht schon nach Sekunden der Angstschweiß aus. Manch einer hadert schon mit dem Fahrstuhl zum Aussichtdeck. Mit zwei Etagen pro Sekunde und einer Höchstgeschwindigkeit von 36 Stundenkilometern ist hier und da ein flaues Gefühl im Magen vorprogrammiert.

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Zu den berühmten Landmarken gehört auch die Fassade des Chicago Theaters. – Foto Karsten-Thilo Raab

Chicago ist berühmt für seine Skyline und die beeindruckende Architektur, die von legendären Baumeistern wie Mies van der Rohe und Daniel Burnham geprägt wurde. Wobei Letzterer den ersten Wolkenkratzer der Welt entwarf. Nicht nur von Willis oder Hancock Tower, sondern insbesondere auch bei einer Bootstour über den Chicago River lässt sich die architektonische Vielfalt in Augenschein nehmen.

Architektur der Superlative

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Abendstimmung am Chicago River. – Foto Karsten-Thilo Raab

Zwischen riesigen Wolkenkratzern ducken sich immer wieder kleine Kirchen und schmucke Backsteinbauten. Darunter so markante Stahlbetonriesen wie das Wrigley Building, der neugotische Tribune Tower, The Rookery, oder das Harold Washington Library Center. Augenfällig ist auch der 423 Meter hohe Trump Tower, den der heutige US-Präsident bereits lange vor seiner politischen Laufbahn im Herzen der 2,7-Millionen-Metropole hat errichten lassen.

Chicago
Prachtvoll illuminiert präsentiert sich die Innenstadt in den Abendstunden. – Foto Karsten-Thilo Raab

Ein ganz anderes Gesicht legt Chicago in seinen insgesamt 77 Neighborhoods an den Tag. So etwa in Wicker Park. Das Stadtviertel, das 1875 nach dem großen Feuer von Chicago entstand und in dem rund 29.000 Menschen zuhause sind, besticht durch schmucke Backstein- und Holzhäuser. Unzählige graue Eichhörnchen hüpfen hier von Ast zu Ast oder versuchen verzweifelt, lebend die zum Teil stark befahrenen Straßen zu queren.

Vitaminpillen im Tresor

Kurioses Einkaufserlebnis: Das Vitamin-Gewölbe im Drogeriemarkt Walgreens in Wicker Park. – Foto Karsten-Thilo Raab

Ein ungewöhnliches Einkaufserlebnis verspricht der Drogeriemarkt Walgreens in den umgebauten Räumlichkeiten der ehemaligen Noel State Bank an der Ecke North Avenue und North Damen Avenue. Der gigantisch große Tresorraum im Keller wurde mit samt seinen Schließfächern zum „Vitamin-Gewölbe“ umgebaut. Hinter der massiven Stahltür werden heute kleine Pillen feilgeboten.

Außerhalb von Downtown legt Chicago ein ganz anderes Gesicht an den Tag. – Foto Karsten-Thilo Raab

Und Wicker Park hat noch mehr Kurioses zu bieten. Das Violet Hour etwa, verbirgt sich hinter einer fensterlosen Fassade ohne Schild. Über der pechschwarzen Tür zeigt eine kleine Lampe an, ob die beliebte Kneipe mit dem schummerigen Licht geöffnet hat. Nur wenn das Türlicht leuchtet, ist die Bar geöffnet. Bei einem frisch gezapften Bier oder leckeren Cocktail lässt sich dann in Ruhe beratschlagen, welche der übrigen 76 Stadtteile als Nächste in Augenschein genommen werden sollte. Denn alle Stadtviertel haben ihren eigenen Charme und unterstreichen abseits des Hochhausmeeres von Downtown, wie vielschichtig Chicago ist.

Wissenswertes zu Chicago

Chicago
Kunst in Downtown: Die Öffentliche Flamingo-Skulptur von Alexander Calder.

Informationen: www.enjoyillinois.de und www.choosechicago.com

Anreise: Von Frankfurt bietet Lufthansa Direktflüge nach Chicago O’Hare an. Die Flugzeit beträgt nach Chicago rund 8.45 Stunden, zurück rund acht Stunden.

Einreise: Neben einem gültigen Reisepass wird ein elektronisches Visum (ESTA) benötigt.

Chicago
Streetart nimmt in Chicago einen großen Raum ein. – Foto: Karsten-Thilo Raab

Wissenswertes: Obwohl Chicago als „Windy City“ bezeichnet wird, hat der Beiname eigentlich nichts damit zu tun, dass in der Millionenstadt ständig Wind geht, sondern ist eine Anspielung darauf, dass im 20. Jahrhundert in Chicago zahlreiche windige Geschäfte abgeschlossen wurden und lange zwielichtige Gestalten hier ihr Unwesen trieben.

Der Innenstadtbereich von Chicago wird gerne auch „The Loop“ genannt. Namenspate ist die aufgestelzte Hochbahn „EL“, die laut scheppernd einen Kreis um einen Teil des Geschäftsviertels beschreitet.

Besondere Attraktionen

Hochhausgigant mit präsidentialem Touch: Der Trump Tower. – Foto Karsten-Thilo Raab

Sehenswürdigkeiten: American Writer’s Museum, 180 N. Michigan Avenue, Chicago, IL 60601, Telefon 01-(0)312-374-8790, www.americanwritersmuseum.org.

Art Institute of Chicago, 111 South Michigan Avenue, Chicago, IL 60603, Telefon 01-(0)312-443-3600, www.artic.edu.

Chicago
Auch der Startpunkt der legendären Route 66 liegt inmitten des Häusermeeres. – Foto Karsten-Thilo Raab

Shedd Aquarium, 1200 S Lake Shore Drive, Chicago, IL 60605, Telefon 01-(0)312-939-2438, www.sheddaquarium.org.

Adler Planetarium, Museum Campus, 1300 S Lake Shore Drive, Chicago Il 60605, Telefon 01-(0)312-922-7827, www.adlerplanetarium.org.

Historische Hochhäuser prägen das Bild von Downtown. – Foto Karsten-Thilo Raab

Field Museum of Natural History, 1400 S. Lake Shore Drive, Chicago, IL 60605, Telefon 01-(0)312.922.9410, www.fieldmuseum.org.

360 Chicago (Hancock Tower), 875 N Michigan Avenue, Chicago, Telefon (01)-888- 875-8439, https://360chicago.com.

Das leibliche Wohl

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Die aufgestelzte Hochbahn rattert laut scheppernd durch die Innenstadt. – Foto Karsten-Thilo Raab

Essen & Trinken: Revival Food Hall, 125 South Clark Street, Chicago, Telefon 01-773-999-9411. Markthalle inmitten des Business Districts mit rund zwei Dutzend Food-Ständen jeder Geschmacksrichtung.

Park Grill, 11 N. Michigan Avenue, Chicago, IL 60601, Telefon 01-312-521-7275, www.parkgrillchicago.com. Beliebte, modernes Restaurant direkt unter der „Bohne“.

Lou Mitchell’s in Chicago ist seit den 1920er Jahren eine Institution. – Foto Karsten-Thilo Raab

Lou Mitchell’s, 565 West Jackson Boulevard, Chicago, Illinois, Telefon 01-312-9393111, www.loumitchells.com. Legendäres Diner am Start der Route 66 bekannt für sein üppiges Frühstück.
Michael Jordan’s Steak House, 505 N. Michigan Avenue, Chicago, IL 60611, Telefon 01-(0)312-321-8823, http://mjshchicago.com.

Sich gemütlich betten…

Stadtbildprägend sind auch die klassischen Feuertreppen an den Seiten- und Rückänden der Wolkenkratzer. – Foto Karsten-Thilo Raab

Übernachten: Radisson Blu Aqua Hotel, 221 North Colombus Drive, Chicago, IL 60601, Telefon 01-312-565-5258, www.radissonbluchicago.com. Stilikone in fußläufiger Nähe und Sichtweite zur Magnificent Mile und zum Millennium Park.

Silversmith Hotel Chicago Downtown, 10 S. Wabash Avenue, Chicago, IL 60603, Telefon 01-312-795-6500, www.silersmithchicagohotel.com.

Karsten-Thilo Raab

berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.