Wasserwandern – von einem See zum andern

Wasserwandern auf der Müritz ist Entschleunigung pur für Hobby-Kapitäne. (Foto: Gunther Schnatmann)
Wasserwandern auf der Müritz ist Entschleunigung pur für Hobby-Kapitäne. (Foto: Gunther Schnatmann)

Der Name Müritz kommt vom slawischen Wort „Morcze“, was „kleines Meer“ heißt. Und tatsächlich bekommt dieser größte See der Mecklenburgischen Seenplatte meeresähnliche Ausmaße, wenn man erst einmal mit zehn Stundenkilometern auf ihm kreuz und quer dahintuckert. Zum Beispiel auf einem gemütlichen Hausboot mit rund 13 Metern Länge, an dem die saftigen Wiesen, kleinen Kiefernwälder und die Schilfrohrdickichte im Zeitlupentempo vorbeiziehen. Die Müritz ist mit knapp 30 Kilometern Länge und rund 13 Kilometern maximaler Breite immerhin der größte See, der vollständig innerhalb Deutschlands liegt. Den Bodensee teilen wir uns ja mit Österreich und der Schweiz – dort und auf fast allen anderen Seen außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns ist das ganz besondere Urlaubsvergnügen wie auf der Müritz nicht möglich: Hausbootfahren ganz ohne Führerschein.

Und so schippern inzwischen rund 500 Hausboote auf den Mecklenburgischen Binnengewässern. Keine Angst: Diese Armada „verläuft sich“. Denn rund 600 Kilometer Wasserwege können befahren werden. Auf diesen gibt es über 350 Marinas, Häfen und Wasserwanderrastplätze. Einzige Begrenzung für das Schippern ohne Bootsführerschein: Hausboote dürfen maximal 15 Meter lang sein – was locker für acht Personen reicht, mit Kindern auch für zwölf Leute.

Die Suche nach einem geeigneten Anlegeplatz ist entlang der Müritz nicht gerade schwierig. (Foto: Gunther Schnatmann)
Die Suche nach einem geeigneten Anlegeplatz ist entlang der Müritz nicht gerade schwierig. (Foto: Gunther Schnatmann)

Und die Höchstgeschwindigkeit beträgt 15 Stundenkilometer. Das genügt völlig, Langsamkeit ist Trumpf und der eigentliche Sinn des Hausbooturlaubs. Nach dem Einschiffen bekommt jeder Freizeitkapitän eine ausführliche theoretische und praktische Einführung durch einen erfahrenen Kapitän des Bootsverleihers – und damit den Charterschein.

Idealer Ausgangspunkt mit dem größten Bootsverleih ist das „Hafendorf Müritz“ in Rechlin mit dem Stützpunkt von Kuhnle Tours. Hier schaukeln Hausboote aller Größen an den Stegen, vom kurzen Kreuzer für zwei bis vier Personen bis zum „Dickschiff“ für zwei bis drei Familien. Immer mit Küche, ein oder zwei Nasszellen, gemütlicher Sitzecke innen und einem Sonnendeck zum Faullenzen und Brotzeit machen – oder zum Klönen an lauen Abenden. Im Sommer erwärmt sich die Müritz übrigens bis auf 22 Grad. Dann ist nach dem Ankern ein Sprung von der hinteren Badeplattform der größeren Boote (die in der Regel auch eine Außendusche besitzen) eine prima Erfrischung.

Die Die Hausboote der Kormoran-Baureihe bieten Platz für bis zu acht Personen. (Foto: Gunther Schnatmann)
Die Die Hausboote der Kormoran-Baureihe bieten Platz für bis zu acht Personen. (Foto: Gunther Schnatmann)

Das Bootswandern – ob über ein verlängertes Wochenende, eine oder zwei Wochen – ist nicht nur absolut entschleunigend, es ist auch unkompliziert. Das geht im Hafendorf Müritz in Rechlin los. Wer vor oder nach dem Bootstrip an Land entspannen möchte oder einzelne Highlights des Müritz-Nationalparks zunächst mit dem Auto ansteuern möchte (wie die Serrahner Berge mit ihren Buchen-Urwäldern, die 2011 UNESCO-Weltkulturerbe wurden), kann sich im Hafendorf auch eine Ferienwohnung über Kuhnle buchen. Weiter auf der Tour über die Müritz, ihre angrenzenden Seen und Kanäle, gibt es dutzende Sportboothäfen zum Anlagen für Ausflüge oder zum Übernachten.

Die Region hat den Trend zum Wassertourismus erkannt und entsprechend an vielen der Ufergemeinden und Städtchen neue Marinas eingerichtet oder alte Häfen ausgebaut. Dort findet der Bootswanderer problemlos Strom, Frischwasseranschluss, kleine Läden und immer wieder lohnenswerte Einkehrmöglichkeiten. Denn das ist nach der Entspannung das nächste Genuss-Highlight einer Hausboottour in Mecklenburg: die vielen kulinarischen Angebote, speziell natürlich die Gerichte mit fangfrischem Süßwasserfisch. Nebenbei: Man ist hier keine 90 Kilometer von der Ostsee entfernt – auch Scholle oder Dorsch gibt es an jeder Ecke frisch und lecker.

Die Kleinstadt Waren präsentiert sich nicht nur vom Wasser aus äußerst charmant und einladend. (Foto Gunther Schnatmann)
Die Kleinstadt Waren präsentiert sich nicht nur vom Wasser aus äußerst charmant und einladend. (Foto Gunther Schnatmann)

Die Häfen sind mal malerisch versteckt direkt neben einer Fischerkate, wo geräucherte Aale oder Forellen zur Bordverpflegung verkauft werden. Oder größer und betriebsam wie in Waren, der liebevoll renovierten Kleinstadt am Nordende der Müritz mit ihren Gässchen und dem Marktplatz mit seinen Straßencafés. Nach dem Start bei Kuhnle in Rechlin am Südende des Sees ist Waren das ideale erste Etappenziel.

Im Sommer ist im Hafen immer etwas los, es gibt Feste, Märkte und Regatten. Rund um den Hafen und maximal 500 Meter hinein in der Stadt gibt es jede Menge Lokale, die meisten natürlich mit Schwerpunkt Fisch. Ob schnell und sättigend wie Heinos Fischerstuw mit seinen Riesen-Fischbrötchen an der Strandstraße oder feiner im Restaurant Kleines Meer am Alten Markt.

Waren ist auch 2015 wieder Gastgeber der Müritzer Fischtage.
Waren ist auch 2015 wieder Gastgeber der Müritzer Fischtage. (Foto Gunther Schnatmann)

Waren ist auch das Zentrum der alljährlichen Müritzer Fischtage, die 2015 vom 26. September bis 11. Oktober stattfinden. Dann werden an den Wochenenden Stände und Zelte aufgebaut, es gibt rund ein Dutzend regionaler Fischgerichte zum Probieren, Live-Kochen und Unterhaltungsprogramm. Quasi das Oktoberfest der Müritzer, nur viel kleiner und beschaulicher als das bayerische Gegenstück.

Im Nationalpark mangelt es auch nicht an tierischen Begengungen. (Foto: Gunther Schnatmann)
Im Nationalpark mangelt es auch nicht an tierischen Begengungen. (Foto: Gunther Schnatmann)

Wer von Waren aus Landerkundungen machen will (das Städtische Tourismusbüro mit seinen postsozialistischen Kadern ist da in Sachen Service nicht immer die beste Anlaufstation) kann beim Nationalpark-Service Müritz eine geführte Radtour zu den schönsten Land-Plätzen dieses Schutzgebiets buchen. Dabei zeigen die Führer auch die abgelegenen Gebiete, in denen die See- und Fischadler zu hause sind.
Wer in kurzer Zeit kompakt eine Natur-Tour unternehmen möchte, kann in Waren auch das Müritzeum besuchen.

Hier gibt es viele Ausstellungsstücke und Erklärungen zum Naturpark – und als Höhepunkt Deutschlands größtes Süßwasseraquarium mit den rund 50 Fischarten der umliegenden Seen. Wem das nicht reicht, der kann von Waren aus auf stillgelegten Bahnstrecken durch unberührte Landschaft eine Draisinentour strampelnd unternehmen. Oder den Kletterwald bei Waren besuchen: In drei bis zwölf Metern Höhe führt eine Tour zwischen den Bäumen des drei Hektar großen Geländes hindurch.

Doch zurück aufs Wasser und hinüber zu weiteren urtümlichen Seen mit dichtem Schilf und über dem Wasser kreisenden Graureihern, zu den Rufen der Rohrdommeln und Bleshühner. Von der Binnenmüritz bei Waren geht es durch den gut zwei Kilometer langen Reeckkanal (auch Eldenburger Kanal) nach Westen zum Kölpinsee.

Die weit verzweigten Wasserwege halten immer wieder auch prächtige Aussichten bereit. (Foto: Gunther Schnatmann)
Die weit verzweigten Wasserwege halten immer wieder auch prächtige Aussichten bereit. (Foto: Gunther Schnatmann)

Hier ist das lohnendste Ziel ein über eine Engstelle erreichbarer „Nebensee“, der Jabelsche See. Am Ostrand des Gewässers liegt das Dorf Damerow. Hier hat der örtliche Fischerhof einen schönen Anleger für Boote aller Größen, an dem man unbedingt Rast machen sollte. Vor allem natürlich, weil es direkt vor dem Steg an Land einen gut sortierten Fischverkauf für die Bordküche gibt. Wer spontan einen Imbiss bevorzugt, kann sich auch an den Tischen im kleinen Seegarten seinen Hecht oder Aal mit Kartoffelsalat servieren lassen.

Im Wisent-Reservat auf dem Damerower Werder lassen sich die zotteligen Riesen aus nächster Nähe in Augenschein nehmen. (Foto Gunther Schnatmann)
Im Wisent-Reservat auf dem Damerower Werder lassen sich die zotteligen Riesen aus nächster Nähe in Augenschein nehmen. (Foto Gunther Schnatmann)

Nach der Stärkung ist hier ein ganz besonderer Landgang ein Muss: das rund zwei Kilometer entfernte Wisent-Reservat auf dem Damerower Werder. Die Halbinsel mitten im See bietet den Bison-Verwandten und größten Säugetieren Europas ein ideales naturbelassenes Reservat. Der Flaschenhals nach Damerow ist abgesperrt und damit können die über 50 Wisente auf über 300 Hektar von Menschen unbehelligt in freier Natur leben. Aber es gibt ein Besucherzentrum mit Ausstellung sowie ein Schaugatter. Der Besuch dort lohnt besonders zu den Fütterungszeiten um 11 und 15 Uhr, wenn die zottigen Tiere gemächlich aus den Wäldern herantraben.

Vom Jabelschen See über den Kölpinsee geht es durch einen kurzen Kanal weiter zum Fleesensee, bekannt durch sein Ressort „Land Fleesensee“. Das ist aber abseits des Ufers und bleibt links liegen. Wellness auf dem Wasser hat ganz andere Reize. Zum Beispiel die kleine Inselstadt Malchow, die den Fleesensee vom lang gezogenen Petersdorfer See trennt. Hier wurde schon 1863 die erste Drehbrücke – die sich also horizontal zur Seite dreht, um größere Boote durchzulassen – eingeweiht.

An der heute modernen Drehbrücke liegt auch das Ortszentrum mit einigen Lokalen und Cafés. Davor auf dem Fleesensee gibt es einen großzügigen Wasserwander-Hafen und danach im Petersdorfer See einen kleinen Stadthafen sowie die bestens mit Duschen und Sanitäreinrichtungen ausgebaute Marina des Yachtclubs. In Malchow ist also immer ein Anlegeplatz frei und das Städtchen lohnt sich auch für zwei Übernachtungen.

In Malchow wartet nicht nur das Orgelmuseum darauf, entdeckt zu werden. (Foto: Gunther Schnatmann)
In Malchow wartet nicht nur das Orgelmuseum darauf, entdeckt zu werden. (Foto: Gunther Schnatmann)

In Malchow gibt es das Orgelmuseum nahe des alten Klosters. Dazu ein „DDR-Museum“. Für Familien bietet sich eine Fahrt auf der nahen Sommerrodelbahn an. Und danach ein Besuch im angrenzenden Affenwald, wo eine Berberaffen-Großfamilie im Freigehege wohnt und neugierig auf Besucher wartet.

Wer dann die zu jeder vollen Stunde aufklappende Brücke passiert hat, kommt am Ende des Petersdorfer Sees an einem der bekanntesten Gasthäuser der Region vorbei, bei dem es auch einen Anlegesteg gibt: dem Lenzer Krug, der schon diverse Auszeichnungen als herausragendes Fischlokal erhalten hat.

Auf den verträumten Wasserwege ist Zeit genug, die Seele mal so richtig baumeln zu lassen. (Foto: Gunther Schnatmann)
Auf den verträumten Wasserwege ist Zeit genug, die Seele mal so richtig baumeln zu lassen. (Foto: Gunther Schnatmann)

Nach dem Lenzer Krug geht es hinüber in den Plauer See, der gleichzeitig der westlichste schiffbare See auf dieser Route ist. Hinter ihm geht es für Freizeitskipper mit genug Zeit weiter über der Elde-Kanal westwärts über Parchim bis zum Schweriner See, wofür inklusive Rückfahrt nach Rechlin mindestens zehn bis 14 Tage eingeplant werden müssen. Für eine entspannte Woche oder ein verlängertes Wochenende mit rascher Rückfahrt nach Rechlin ist die Stadt Plau am gleichnamigen See der Wendepunkt.

Interessant: Plau hat sich ganz besonders dem Gastronomie-Tourismus verschrieben. Hier haben sich sieben junge Gastronomen rund um den See zusammengeschlossen und vermarkten sich über Events und Erlebnisgastronomie.
In der Reihe „plau-kocht.de“ laden diese sieben Restaurants zu kulinarischen Reisen ein. Von „literarischer Tafelei“ bis zum Showkochen.

An den Gestaden der Müritz mangelt es auch nicht an Einkehrgelegenheiten - fangfrischer Fisch inklusive. (Foto: Gunther Schnatmann)
An den Gestaden der Müritz mangelt es auch nicht an Einkehrgelegenheiten – fangfrischer Fisch inklusive. (Foto: Gunther Schnatmann)

Ein ungewöhnliches Ausflugsziel: Der Bärenwald am Plauer See. Hier haben 15 ehemalige Zoo- und Zirkusbären auf dem mehr als 16 Hektar großen Gelände ein Zuhause gefunden und können besucht werden. Auf der Rückfahrt zum Hafendorf Müritz können dann die schönen Ecken und Plätze noch mitgenommen werden, für die auf der Hinfahrt nach Plau keine Zeit war. Denn Zeit sollte auf dieser Boots-Wandertour keine Rolle spielen.

Das entspannte Dahingleiten auf dem Wasser verführt nämlich schon sehr bald zu einem Lebensstil weit ab der täglichen Hektik. Das Beobachten der Natur wechselt ab mit entspannten Abenden an Deck und kulinarischen Ausflügen in die teils deftige, teils feine Küche Mecklenburgs. Von einem See zum andern – schneller und intensiver lässt es sich kaum Entschleunigen!

Tipps für die Reiseplanung

Mit der Feuerqualle im Hafen von Waren vor Anker. (Foto Gunther Schnatmann)
Mit der Feuerqualle im Hafen von Waren vor Anker. (Foto Gunther Schnatmann)

Hausbootverleih und Ferienwohnungen: Die Hausboote der Kormoran-Baureihe gelten als die schönsten Charterboote Europas. Die gemütlichen Stahlverdränger wurden von Kuhnle Tour speziell für den Charterbetrieb entwickelt, sie sind leicht zu manövrieren und bieten allen Komfort unter Deck. Ein großer Salon (1,95 Meter hoch) mit komfortabler Sitzecke, bis zu vier gemütliche Kabinen, auf dem Achterdeck ca. 20 Quadratmeter Terrassenfeeling mit Tisch und Stühlen. Weitere Informationen: Kuhnle Tour GmbH, Hafendorf Müritz, 17248 Rechlin, Telefon 039823-2660, info@kuhnle-tours.de, www.kuhnle-tours.de

Sehenswürdigkeiten: Nationalpark-Radtour, Nationalpark-Service Müritz, Damerower Straße 6, 17192 Federow, Telefon 03991-668849, www.nationalpark-service.de

Erlebniszentrum Müritzeum, Zur Steinmole 1, 17192 Waren, Telefon 03991-633680, www.mueritzeum.de

Perfektes Hausboot für einen Familienurlaub an der Müritz: Die Feuerqualle. (Foto Gunther Schnatmann)
Perfektes Hausboot für einen Familienurlaub an der Müritz: Die Feuerqualle. (Foto Gunther Schnatmann)

Mecklenburger Draisinenbahn, Telefon 039931-54506, www.draisine-mecklenburg.de

Wisentreservat Damerower Werder, Zum Werder 5a, 17194 Damerow, www.wisentinsel.de

Essen & Trinken: Pension und Schänke Lenzer Krug, Am Lenz 1, 17213 Lenz über Malchow, Telefon 039932-1670

Restaurant Kleines Meer, Alter Markt 7, 17192 Waren, Telefon 03991-6480, www.kleinesmeer.com

Fischerhof Damerow, Am Werder 7d, 17194 Damerow, Telefon 039929-76698

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