Up-Helly-Aa – das größte Feuer-Festival der Welt

Wenn auf den Shetland Inseln, weit draußen im nördlichen Atlantik, die Lichter ausgehen, dann ist es höchste Zeit für Up-Helly-Aa, das größte Feuer-Festival der Welt. In einer versteckten Remise einer Seitenstraße der Hauptstadt Lerwick werkeln fleißige Hände an den letzten Feinheiten eines prachtvollen nagelneuen Kunstwerkes. Ein Wikingerschiff, blau-weiß gestreift, beinahe in Originalgröße, erhält noch sein Ruderwerk sowie glänzende, bunte Schilder, während der mächtige Drachenkopf schon stolz sein Haupt in die Höhe reckt. Schließlich bekommt ein Rabe seinen Ehrenplatz auf der Mastspitze. Gestandene Männer sind mit Feuereifer bei der Arbeit, um rechtzeitig zum großen Umzug alles vollendet zu haben. „Das Wetter hat uns noch nie gestört, wird es auch in diesen Jahr nicht!“ erklärt mit dem Brustton tiefster Überzeugung der Guizer Jarl, das Oberhaupt der Wikinger, auf einer improvisierten Pressekonferenz. Stanley Manson heißt er im richtigen Leben, ist Landwirt, kommt von der Insel Bressay, von Lerwick nur durch eine kurze Fährüberfahrt getrennt. Der wallende Bart, der sein Gesicht ziert, vermag die freudige Begeisterung kaum zu kaschieren. Lange Jahre hat Manson auf diesen Tag gewartet – nun ist es endlich soweit.

Am letzten Dienstag im Januar erinnert man sich auf den Shetland Inseln der frühesten Vergangenheit, der ersten Besiedlung der felsigen, damals wohl eher unwirtlichen Eilande im Atlantik durch Wikinger, die von Norwegen herüberkamen. Viele Ortsnamen klingen in der Tat eher skandinavisch, viele Ausdrücke der Sprache norwegisch. Und das obwohl die Shetlands zu Großbritannien gehören. Mit dem Up-Helly-Aa Fest wird gleichzeitig auch die Wintersonnenwende gefeiert und die nordischen Götter werden gnädig gestimmt für einen milden Sommer und gute Ernten. Hier gibt es eine Reihe Parallelen zu den bei uns wohlbekannten Karnevals- und Faschingsbräuchen. Zudem organisieren hier wie dort Gruppen und Vereine die Aktivitäten, stellen Musik- und Fußgruppen des Umzugs.

Um 10 Uhr erscheint die stolze, liebevoll und zeitaufwändig hergestellte Wikinger Galeere namens Bergland auf der Alexandra Wharf im Hafen Lerwicks. An Bord Stanley Manson in voller, beeindruckender Wikingermontur gemeinsam mit seinem Gefolge, zahlreichen kostümierten und ebenso rauschebärtigen Wikingern. Im Korso auch eine Brass Band, die dem fröstelnden Publikum mit schottischen Volksweisen und dem unvermeidlichen Dudelsack einheizt, denn ein unangenehmer Schneeregen hat mittlerweile eingesetzt. Am Marktplatz wird kurz darauf offiziell die Proklamation des diesjährigen Up-Helly-Aa ausgerufen, wovon eine große Tafel mit Verhaltensmaßregeln und Gesetzmäßigkeiten kündet. Während des Tages zieht der Guizer Jarl mit seinem Gefolge zum Rathaus und besucht verschiedene soziale Einrichtungen.

Wirklich spektakulär jedoch wird es erst am Abend, wenn pünktlich um 19 Uhr die Straßenlaternen erlöschen und sich eine gespenstisch knisternde Atmosphäre, eine atemlose Stille ausbreitet. Durch den stetigen Schneefall liegt ganz Lerwick unter einer dicken weißen Decke, die nun ihrerseits matt den Sternenhimmel reflektiert und zahllose Zuschauer längs des Zugweges mit beißender Kälte malträtiert unterstützt von einem schneidenden Nordwind. In der Finsternis nehmen die Gruppen Aufstellung an der Lower Hillhead Road, ein zunächst nur schwaches Stimmengewirr nimmt langsam zu, die Spannung unter Zuschauern wie Teilnehmern steigt.

Plötzlich erstrahlt ein roter Lichtblitz, noch ein weiterer und noch mehr. Bengalische Feuer wie leuchtende Rubine. Schatten bewegen sich darum herum, Fackeln werden von schemenhaften Figuren in das tiefe Rot getaucht, um sogleich brennend aufzuragen. Es dauert nur wenige Minuten und hunderte Fackelfeuer sind entfacht. Eine brennende Perlenkette säumt nun den Weg, bildet einen Spalier für den Guizer Jarl, der auf seiner Galeere den langen Zug anführt. Hinter ihm die Gefolgsleute, seine Wikingerschar. Daran reihen sich die weiteren Gruppen, in skurrilen und kuriosen Kostümierungen, immer flankiert und illuminiert von den Fackelträgern.

Die gewaltige Prozession endet bald darauf auf dem King George V. Playing Field. In der Mitte des Platzes verharrt die Galeere, den Wikingerhäuptling immer noch tragend, alle Fackelträger gruppieren sich im Kreis um sie herum. Dann kehrt wieder Ruhe ein, nur das Knistern der Fackeln im Wind ist noch zu hören. Der Guizer Jarl erhebt seine dröhnende Stimme – der Galley Song, eine Hymne an das Schiff, wird erst zaghaft, bald vielstimmig und machtvoll intoniert. Anschließend grüßt er in die Menge, aus der es dreifach zurückschallt, gleichzeitig verlässt er seine Galeere. Sobald der letzte Ton verklungen ist, werden alle Fackeln auf das Schiff geworfen, welches unmittelbar darauf in loderndem Feuerschein steht. Riesiger Jubel brandet aus der Zuschauermenge auf. Den krönenden Abschluss bildet ein nächtliches Feuerwerk über dem bald zu einem Häuflein Asche zusammengefallenen Schiffsrumpf.

Damit jedoch ist Up-Helly-Aa noch lange nicht zu Ende. Die Party geht nun erst richtig los. An vielen Stellen der Stadt sind Turnhallen, Schulen, öffentliche Gebäude zu großen Festsälen geworden, in denen die teilnehmenden Gruppen eigene Festivitäten veranstalten. Die Umzugsteilnehmer ziehen von Halle zu Halle, singen, tanzen, lachen und haben jede Menge Spaß bis schon lange der neue Tag angebrochen ist.

Weitere Informationen unter  www.visitbritain.de und unter www.visitshetland.com.

Termin: Up-Helly-Aa 2012 findet statt am 31.Januar, dazu gibt es einige interessante begleitende Veranstaltungen während des ganzen Tages, wie Konzerte im Garrison Theatre und auch der Kinderumzug mit Fackeln fast so wie die Großen.

Anreise: Auf die Shetland Inseln gelangt man mit den Fähren der Northlink, die täglich von Aberdeen aus verkehren. www.northlink.co.uk. Mietwagen sind auf den Shetland Inseln recht preisgünstig zu bekommen.

Unterkunft: Einige Hotels und B&Bs befinden sich im Zentrum Lerwicks, empfehlenswert, weil sehr schön im Süden gelegen unmittelbar am historischen Monument Jarlshof, das Sumburgh Hotel, ca. 40 Minuten Fahrt von Lerwick.

Buchtipps: Ulrike Katrin Peters, Karsten-Thilo Raab: Britannia Kuriosa, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-08-8, Preis 14,90 Euro. Erhältlich ist der Titel im Buchhandel oder direkt beim Verlag.

Ulrike Katrin Peters & Karsten-Thilo Raab: Oh, diese Briten, Conrad-Stein-Verlag, ISBN 978-3-86686-800-7. Das Buch ist im Buchhandel oder auch direkt beim Verlag erhältlich.

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