Reiseziel mit besonderer Strahlkraft – Tschernobyl-Sperrzone wird Naturschutzgebiet

Knapp drei Jahrzehnte nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl wird die dortige Sperrzone um zwei Drittel reduziert. (Foto Andreas Kinski/Pixelio)
Knapp drei Jahrzehnte nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl wird die dortige Sperrzone um zwei Drittel reduziert. (Foto Andreas Kinski/Pixelio)

Bei der Urlaubsplanung spielt die Ukraine derzeit aus verschiedenen Grünen bei den meisten eine eher untergeordnete Rolle. Die Krim ist besetzt. Und Krimsekt lässt sich auch in anderen Teilen der Welt genießen. Für die Ostukraine gibt es ob der anhaltenden Kämpfe keine Kampfpreise bei den Pauschalreiseanbietern und die chronischen Unruhen in Kiew machen einen Abstecher in die Hauptstadt auch nur bedingt attraktiv.

Dafür könnte sich Naturliebhabern schon bald ein ganz anderer Teil der Ukraine als landschaftlich reizvolles Reiseziel anbieten. Ein Teil des Landes, der nicht nur eine strahlende Zukunft haben soll, sondern definitiv auch eine strahlende Vergangenheit besitzt. Die Rede ist von Tschernobyl, das lange kaum jemand in der westlichen Welt kannte, das aber im April 1986 in Folge des Reaktorunglücks im dortigen Atomkraftwerk über Nacht traurige Berühmtheit erhielt.

Mit der Ausweitung des Naturschutzgebietes ist in Tschernobyl von atomarer Strahlung kaum noch die Rede, (Foto A. Fehmel/Pixelio=
Mit der Ausweitung des Naturschutzgebietes ist in Tschernobyl von atomarer Strahlung kaum noch die Rede, (Foto A. Fehmel/Pixelio=

Um die atomare Strahlung einzudämmen, wurde damals unter anderem eine 30 Kilometer große Sperrzone um den Unglücksreaktor eingerichtet. Was natürlich ein Schlag ins Kontor für jeden Hobbyphysiker war, der gerne einmal die Ergebnisse einer fatalen Kernschmelze aus nächster Nähe beobachten wollte. Unter dem Schutzmäntelchen der Gesundheitsprophylaxe wurde dem Besuch des Areals quasi ein Riegel vorgeschoben.

Doch diese Ängste sind nun scheinbar weitgehend verflogen, haben sich im Zuge der atomaren Halbwertzeit schlicht gedrittelt – zumindest mathematisch gesehen. Denn das ukrainische Umweltministerium setzt auf eine deutliche Attraktivitätssteigerung des riesigen Areals. Ein Effekt, der durch eine simple Maßnahme erzielt werden soll: Gut 30 Jahren nach dem Super-Gau wird die Sperrzone von einst 30 auf zehn Kilometer reduziert.

Rein rechnerisch folgt dann im Jahre 2046 eine weitere Annäherung an der Reaktor auf etwas mehr als drei Kilometer Sicherheitsabstand. Was für die künftige Reiseplanung ja durchaus interessant sein könnte.

Und das Tollste: die Sperrzone wird nicht nur einfach verringert, nein, die über drei Jahrzehnte unzugängliche Fläche wird zum Naturschutzgebiet. Und damit zum Ziel für Pflanzenliebhaber und Naturfreunde aus aller Welt. Die dürften dort Gewächse vorfinden, die sie so ganz sicher nicht kannten: fünfblätterige Kleeblätter, Erdbeeren in Apfelgröße, Grashalme in Birkenstammdicke, Hasen mit fünf Beinen und drei Löffeln, Mäuse im Katzenformat und viele weitere lustige Launen der Natur. Und natürlich den Gemeinen Beifuß. Denn dies bedeutet der Name Tschernobyl auf Deutsch.

Das auch als Besen- oder Fliegenkraut bekannte Gewächs erreicht normalerweise Wuchshöhen von 60 Zentimetern bis zu zwei Metern. In und um Tschernobyl hat es sich vermutlich in den letzten dreißig Jahren dank der speziellen Bedingungen zu einem krautigen Riesen ausgewachsen, der die Region rund um den Reaktor in eine dichte Dschungellandschaft verwandelt hat. Und im Schutz dieser Pflanzen ist der naturverbundene Besucher garantiert in Sicherheit.

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