Prickelwasser mit der Queen of Little Sark

Wahrzeichen der Insel: die Landbrücke La Coupeé zwischen Sark und Little Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Wahrzeichen der Insel: die Landbrücke La Coupeé zwischen Sark und Little Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Das Klickklack der Hufe sind die einzigen Geräusche, die neben dem Knarren der Reifen und dem Zwitschern der Vögel zu vernehmen sind. Bob ist eher der gemütliche Typ. Er lebt Entschleunigung und ist auf Sark so etwas wie die vierbeinige Verkehrsbremse. Bob ist so langsam, dass man ihm im Gehen problemlos die Hufe beschlagen könnte. Mit einer Eselsgeduld trottet das kräftige Pferd mit der Kutsche im Schlepptau über die geschotterten Straßen und Gassen der autofreien Kanalinsel. Dabei ist sein Aktionsradius bei den Miniausmaßen von Sark mit gerade einmal 4,8 Kilometern Länge und 2,4 Kilometern Breite durchaus überschaubar.

„Das Gute ist, bei diesem Tempo kommen auch keine Hasen unter die Räder“, spricht Kutscherin Lucinda mit Blick auf Bobs Elan vom „aktiven relaxen“. Ergänzend fügt die Studentin aus Südengland, die für eine Saison auf Sark arbeitet hinzu: „Für faule Pferde ist die Insel ein Traum. Hier gibt es einfach keine Hektik.“ Und dies spüren nicht nur die wiehernden Unpaarhufer wie Bob.

Bei nur 5,5 Quadratkilometern Fläche fällt die Orientierung auf Sark nicht sonderlich schwer. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Bei nur 5,5 Quadratkilometern Fläche fällt die Orientierung auf Sark nicht sonderlich schwer. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Die gemächliche Gangart des schwarz-weißen Pferdes ist symptomatisch für das Leben auf der viertgrößten Kanalinsel. Hier ticken die Uhren spürbar langsamer. Hier scheint die Zeit irgendwie still zu stehen. Gerade einmal 600 Menschen leben dauerhaft auf Sark, hinzukommen rund 400 Saisonarbeiter von April bis Oktober. Vieles von dem, was die Insulaner für den täglichen Bedarf brauchen, produzieren sie auf den Farmen der Insel selber. An frischen Gemüse und Fleisch mangelt es ebenso wenig wie an fangfrischem Fisch und Meeresfrüchten. Entlang der Avenue, der kleinen und einzigen Einkaufs- und Flaniermeile auf Sark, finden sich neben Pubs, Cafés und Restaurants zwei kleine Supermärkte.

Lediglich 720 Häuser finden sich auf der gesamten Kanalinsel. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Lediglich 720 Häuser finden sich auf der gesamten Kanalinsel. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Neben gerade einmal 720 Häusern ist auch eine eigene Schule auf der Kanalinsel zu finden. Und ein Doktor schiebt hier ebenso Dienst wie zwei Polizisten. Diese vertreten allerdings nur als Teilzeitkräfte die Staatsmacht. Zu gering ist auf einer Insel, auf der jeder jeden kennt, die Kriminalitätsrate. Allenfalls müssen die Gesetzeshüter mal einschreiten, wenn einer der bis zu 50.000 (Tages-) Gäste pro Jahr ein Pint zu viel genossen hat. Viel mehr dürfen allerdings gleichzeitig ohnehin nicht straffällig werden. Denn das kleine Inselgefängnis bietet gerade einmal Platz für zwei Personen.

Ansonsten gibt es gewisse Parallelen zwischen Bob und den Bobbys. Beide schieben auf Sark eher eine ruhige Kugel. Selbst die Überwachung des Verkehrs können sich die Ordnungshüter schenken.

Die bequemste Art, die Insel zu entdecken, ist bei einer Kutschfahrt. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Die bequemste Art, die Insel zu entdecken, ist bei einer Kutschfahrt. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Auf Sark sind Autos verboten – was eigentlich nur Vorteile hat – und dies nicht nur aus Umweltgründen“, führt Lucinda augenzwinkernd an, dass es hier keinen Stau gibt. Auch müsse sich hier niemand über steigende Benzinpreise ärgern oder stundenlang einen Parkplatz suchen. Ganz unmotorisiert sind die Insulaner indes nicht. Rund 40 Traktoren helfen nicht nur die Ackerflächen zu bearbeiten, sondern dienen teilweise als Zugmaschine für den einzigen Krankenwagen (-anhänger) und den „Touristen- und Gepäcktransport“.

Mit dem Traktor-Bus können Besucher auf der autofreien Insel vom am Maseline Harbour zum Hauptdorf gelangen. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Mit dem Traktor-Bus können Besucher auf der autofreien Insel vom am Maseline Harbour zum Hauptdorf gelangen. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Der „Traktor-Bus“, der wegen der Sitzanordnung gerne als „Toast Rack“, als Toastständer tituliert, befördert die Neuankömmlinge vom kleinen Maseline Harbour die steile Straße hoch bis an den Rand des Inselzentrums. Die kurze Tour mit der Knattermaschine kostet 1,20 Pfund für Erwachsene beziehungsweise 0,60 Pfund für Kinder, während bei denjenigen, die sich das Geld sparen wollen, zahlreiche Schweißperlen laufen dürften.

Das stolze Herrenhaus La Seigneurie mit den gleichnamigen Gärten. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Das stolze Herrenhaus La Seigneurie mit den gleichnamigen Gärten. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Wir sind ein Dorf mit Staatsstatus“, so Paul Armorgie, der selber über viele Jahre dem Inselparlament angehörte. Stolz fügt der Inhaber des familiengeführten Stocks Hotels hinzu: „Sark gehört weder zu Großbritannien, noch zur Europäischen Union und genießt als Kronbesitz einen Sonderstatus“, beginnt Paul sodann einen kurzen Streifzug durch die bewegte Geschichte der Insel: 1565 erhielt Helier de Carteret die Insel als Lehen von Queen Elizabeth I. Der Feudalherr, Signieure genannt, unterteilte die Insel in 40 so genannte Tenements. Jeder der ersten Siedler erhielt ein Tenement und durfte dieses Stück Land bewirtschaften. 1605 wurde das Chief Pleas, das Inselparlament, aus der Taufe gehoben.

Sechs Gärtner kümmern sich um die Pflanzenpracht der La Seigneurie Gardens. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Sechs Gärtner kümmern sich um die Pflanzenpracht der La Seigneurie Gardens. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Im Jahre 2008 endete auf Druck der Europäischen Union das bis dahin praktizierte Feudalsystem. Seitdem müssen demokratische Wahlen abgehalten werden. Das Inselparlament setzt sich nun aus 28 unabhängigen Abgeordneten zusammen. Politische Parteien kennt hier niemand.

Unabhängig davon ist der Signieure immer noch im Amt und Würden. Nur hat er nicht mehr die alleinige Macht, sondern – wie die anderen Parlamentarier – nur eine einzige Stimme. Zudem fungiert er weiterhin als Repräsentant der Queen. Dieser muss er nach alter Tradition für das Lehen jährlich den symbolischen Betrag von 1,79 Pfund (etwa 2,30 Euro) überweisen – was durchaus leistbar scheint, obschon auf Sark noch immer Steuerfreiheit herrscht.

Sogar tropische Pflanzen gedeihen in den prächtigen La Seigneurie Gardens. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Sogar tropische Pflanzen gedeihen in den prächtigen La Seigneurie Gardens. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Im Jahre 1720 ging die Insel in den Besitz von Suzanne Le Pelley über. Ihre Familie ließ La Seigneurie errichten, das über Jahrhunderte Sitz der Feudalherren sein sollte. Der heutige, 22. Seigneur, John Michael Beumont, wohnt nicht mehr in dem stattlichen Herrensitz mit dem viktorianischen Uhrenturm, sondern zusammen mit seiner Frau Diana in einem ungleich bescheideneren Haus mitten im Dorf. Gleichwohl nimmt La Seigneurie mit seinen faszinierenden Gärten eine zentrale Rolle als Besuchermagnet der Insel ein. Sechs Gärtner kümmern sich hier liebevoll um die tropische Pflanzenpracht.

Nicht weniger als 35 Kilometer Küste finden sich auf Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Nicht weniger als 35 Kilometer Küste finden sich auf Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Die größten Pfunde mit denen das gerade einmal 5,5 Quadratkilometer große Sark ansonsten wuchern kann, sind 35 Kilometer Küstenlinie, die herrlichen Naturstrände, die zum Teil spektakulären Klippenwege und die nicht minder spektakuläre Landbrücke La Coupeé, die den Hauptteil der Insel mit der Halbinsel Little Sark verbindet. Das kurvige Verbindungsstück wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg von deutschen Kriegsgefangenen mit einem Gitter seitlich gesichert. Zuvor ging es zu beiden Seiten ungeschützt knapp 90 Meter in die Tiefe.

Malerische Strände und Küstenabschnitte begeistern vor allem Naturliebhaber und Wanderer. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Malerische Strände und Küstenabschnitte begeistern vor allem Naturliebhaber und Wanderer. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Auf Little Sark ist das La Sablonnerie eine Institution. Nicht nur, weil das charmante Cottage aus dem 16. Jahrhundert im wahrsten Sinne des Wortes über eine (mehrfach) ausgezeichnete Küche verfügt, sondern vor allem wegen Elizabeth Perrée. Das quirlige Insel-Urgestein ist Betreiberin und gute Seele des La Sablonnerie. Ein Energiebündel unter Dauerstrom mit langen schwarzen Haaren und auffällig geschminkten Lippen. Elizabeth Perrée ist auf Sark bekannt wie ein bunter Hund. Die Insulaner verliehen der ungekrönten Queen of Little Sark den Spitznamen „Mouth oft he South“. Schnell wird klar, warum.

Die "Queen of Little Sark": Elizabeth Perrée - Betreiberin des La Sablonnerie. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Die „Queen of Little Sark“: Elizabeth Perrée – Betreiberin des La Sablonnerie. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Vor einer halben Stunde war noch Kevin Costner hier“, sprudelt es mit schriller Stimme aus ihr heraus. Für ein „Hallo“ hat sie scheinbar keine Zeit. Schon reicht Elizabeth ein paar Canapés herum.

„Tee dauert zu lange. Lasst uns ein Fläschchen Champagner köpfen”, trillert die aufmerksames Gastgeberin, um ohne Punkt und Komma weiter zu reden. Von der Schönheit der Insel, von ihrem mehr als 400 Jahre alten Schmuckkästchen, dem La Sablonnerie, und von den vielen Stars und Sternchen, die hier im Laufe der Jahre zu Gast waren. Der Bogen spannt sich von David Niven über Eric Clapton bis eben hin zu Kevin Costner, dessen Stuhl eigentlich noch warm sein müsste.

Cottage-Idylle auf Little-Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Cottage-Idylle auf Little-Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Während die Gäste die Bilder mit den Prominenten bestaunen, nimmt Elizabeth ein zweites Glas Champagner: „That livens me up a little bit“, beteuert die Queen of Little Sark, dass das „Prickelwasser“ ihre Lebensgeister ein wenig zurückbringen würde. Elizabeth Perrée ist eben eines jener Originale, das unvergesslich bleibt. Sie prägt das Gesicht einer Insel, die mit ihrer rauen Schönheit und der tropischen Pflanzenwelt fraglos zu den Perlen im Golf von St. Malo gehört.

Die kleine Shoppingmeile auf Sark: The Avenue. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Die kleine Shoppingmeile auf Sark: The Avenue. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Informationen: Sark Tourism, Telefon 0044-(0)1481-832345, www.sark.co.uk und www.sark.gov.gg

Lage: Sark liegt im Golf von St. Malo – rund 130 Kilometer südlich der englischen Küste.

Anreise: Von Mai bis Oktober bietet Airberlin Direktflüge von Düsseldorf und Stuttgart nach Guernsey an. Alternativ empfiehlt sich die Anreise mit British Airways nach London Gatwick oder London City Airport und von dort weiter mit Aurigny. Von Guernsey aus ist Sark bequem binnen 50 Minuten mit dem Schiff zu erreichen. Die Hin- und Rückfahrt kostet 28,50 Pfund, für Kinder 13,50 Pfund. Ticket- und Fahrplaninformationen unter www.sarkshippingcompany.com

Währung: Zahlungsmittel ist das Britische beziehungsweise das gleichwertige Guernsey Pfund entspricht etwa 1,26 Euro, ein Euro etwa 0,78 Guernsey Pfund.

Kutschfahrt: Die Inselrundfahrt mit der Pferdekutsche kostet 10 Pfund pro Stunde und Person. Angeboten werden Kutschfahrten u.a. von Sark Carriages (Telefon 0044-(0)1481-832027, www.sarkcarriages.co.uk) sowie Danny Wakley Carriages (Telefon 0044-(0)1481-832135, www.dannywakley.com)

Ruine einer Windmühle auf Little-Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Ruine einer Windmühle auf Little-Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Fahrradverleih: Eine Alternative zur Kutschfahrt ist die Inselerkundung mit dem Fahrrad. Diese können u.a. bei Avenue Cycle Hire (Telefon 0044-(0)1481-832102, www.avenuecyclesark.co.uk) oder A to B Cycles (Telefon 0044-(0)1481-832844, www.atobcycles.com) tag- und stundenweise geliehen werden.

Sehenswürdigkeiten: La Seigneurie Gardens, Sark, Channel Islands, GY10 1SF, Telefon 0044-(0)1481-832208, www.laseigneuriegardens.com. Geöffnet von Ostern bis 1. November täglich von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt beträgt fünf Pfund für Erwachsene und 1,50 Pfund für Kinder.

Kulinarischer Willkommensgruß im La Sablonnerie auf Little-Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Kulinarischer Willkommensgruß im La Sablonnerie auf Little-Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Essen & Trinken: Hathaways, Sark, Channel Islands, GY10 1SD, Telefon 0044-1481-832209. Café und Bistro direkt an den La Seigneurie Gardens mit großen Auswahl an Fisch und Meeresfrüchten sowie vegetarischen und veganen Speisen.

Nicole’s Restaurant, Sark, Channel Islands, GY10 1SD, Telefon 0044-1481-832302. Unweit des Harbour Hills werden hier vornehmlich lokale Fleisch- und Fischprodukte angeboten.

Verträumtes Cottage auf Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Verträumtes Cottage auf Sark. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Übernachten: Stocks Hotel, Sark, Channel Islands, GY10 1SD, Telefon 0044-1481-832001, www.stockshotel.com. Das Doppelzimmer mit Frühstück kostet in dem Vier-Sterne-Haus pro Nacht 175 Pfund.

La Sablonnerie Hotel, Little Sark, Channel Islands, GY10 1SD, Telefon 0044-1481-832061, www.sablonneriesark.com. Ab 97,50 Pfund pro Person und Nacht werden Doppelzimmer inklusive Fünf-Gänge-Dinner angeboten.

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