Ohne Uhr und mit viel Ruhe – Spurensuche auf Fischland-Darß-Zingst

Fischland-Darß-Zingst
Der XXL-Hingucker des Schweizer  Bildhauers Marc Moser steht von Mai bis Oktober am Zingster Strand- – Fotos TMV/Krauss

Auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst in Mecklenburg-Vorpommern wird man sich unweigerlich Zeit nehmen für die schönen Dinge des Lebens. Dabei eröffnen verschiedene Themenpfade eine völlig neue Perspektive auf Gegenwart und Vergangenheit. Kultur und Natur, Vergangenheit und Moderne, Einfaches und Feines treffen hier nicht bloß aufeinander – sie verbinden sich zu einem Ausdruck von Vollkommenheit. Auch Sandra und Sebastian aus Weimar haben das bei ihrem Streifzug erfahren.

„Ich muss ehrlich sein: Du siehst die Welt durch eine rosarote Brille!“, ruft Sandra und lacht. Denn das tut Sebastian im wahrsten Sinne des Wortes: Das Pärchen steht am Sandstrand von Zingst und während Sandra die Kamera zückt, hat sich Sebastian schon hinter der überdimensionalen Sonnenbrille des Künstlers Marc Moser in Pose gebracht und guckt durch die rosafarbenen Gläser hindurch auf die sonst tiefblaue Ostsee. Das beeindruckende Kunstwerk in XXL dürfen Besucher von Mai bis Mitte Oktober am Strand entdecken, danach wird es in sein Winterquartier, den Zingster Hafen, gebracht.

Kostenfrei Kameras ausleihen

Bemalte Türen künden in Prerow, Born und Wieck von den Bräuchen der Seefahrer

Als die beiden gehört haben, dass sich Besucher auf dem Olympus FotoKunstPfad Zingst kostenfrei Kameras ausleihen und auf zwölf Stationen die Werke von Künstlern entdecken und einfangen können, waren sie begeistert: „Das bringt mit Meer, Strand, Kunst und Fotografie unsere größten Leidenschaften zusammen“, sagt Sebastian. „Es ist toll, einfach abzuschalten und die Tage am Strand dahinplätschern zu lassen. Doch noch schöner ist es, wenn man inspirierende Bilder und spannende Geschichten mit nach Hause nehmen kann.“

Besondere Andenken sind es, die Sandra und Sebastian in Zingst mit ihren Kameras aufnehmen: So erzählt die Skulptur des Bildhauers Rob Mulholland – eine zarte Frauen-Silhouette, die auf einer Buhne im Wasser steht – von der Verletzlichkeit und Stärke des Meeres. Andere Künstler setzen auf den spielerischen Effekt, wie Lulu Guinness, die Besucher mit einem großen Nagelbrett, dem beliebten Spielzeug der 80er-Jahre, verschmelzen lässt.

Haustüren, die vor Zauberei beschützen

Auch das ist das Fischland-Darß-Zingst: Eine ganz besondere Tür schmückt die Tourist-Information in Prerow.

Als Kontrast zur modernen Kunst haben sich Sandra und Sebastian als nächste Station den Darßer Haustürenpfad herausgesucht: Der verknüpft die Gegenwart mit Bräuchen und Spuren des 19. Jahrhunderts in den Orten Prerow, Born und Wieck. Mit dem Rad erreichen sie Prerow in nur 20 Minuten. Der Weg führt direkt an der Küste entlang, wo sie die salzige Meeresluft und den erfrischenden Fahrtwind genießen.

„Ich habe noch nie eine Haustür gesehen, die so viel gute Laune versprüht“, sagt Sandra und nimmt mit ihrer Kamera die roten Tulpen und die Sonne ins Visier. Die Darßer Haustür an der Tourist-Information in Prerow ist die erste der berühmten Türen, die bunt bemalt wurde. Der Brauch der aufwändig geschnitzten Türen geht auf die Seefahrtsgeschichte zurück. Der Sonnenaufgang steht für eine glückliche Rückkehr, andere Motive sind von heidnischen Einflüssen geprägt. So sollen Symbole wie Feuer vor Zauberei schützen, Blumen dagegen Lebensfreude schenken. Die Tradition weiterleben lässt die Kunsttischlerei Roloff, die seit 1832 in Handarbeit die Darßer Türen restauriert oder neu anfertigt.

Post aus dem 20. Jahrhundert

In Wieck erzählen Infotafeln Geschichten über Häuser und Bewohner. Fischland-Darß-Zingst

Den Halt an der Tourist-Information in Prerow haben Sandra und Sebastian genutzt, um sich mit neuen Inspirationen zu verschiedenen Ausflugszielen einzudecken. Das Paar möchte mehr über die Geschichte der Region erfahren, bei strahlend blauem Himmel am liebsten im Freien. So ist das nächste Ziel schnell bestimmt: Auf dem Fahrrad möchten sie den Postkartenpfad in Wieck erkunden.

Die Fotomotive des 20. Jahrhunderts, die an sieben Stationen ausgestellt werden, machen es den Besuchern leicht, sich auf die Reise durch die Zeit zu begeben. „Sieh mal, da vorne lag damals die Holzerland-Werft“, sagt Sebastian und zeigt zum Bodstedter Bodden, vor dem heute ein großes Feld liegt, auf dem gemütlich die Pferde grasen. Auf einer Holzbank genießen die beiden den Ausblick und erfinden Geschichten vom geschäftigen Treiben, das hier damals herrschte. Bevor es weiter zum nächsten Pfad geht, stromern beide weiter durch das Boddendorf. Dabei entdecken sie den idyllischen Hafen und die Darßer Arche, die ein Informationszentrum und eine Ausstellung über den Nationalpark beherbergt.

Wandeln auf den Spuren der Künstlerkolonie Ahrenshoop

In Ahrenshoop An- und Aussichten erleben, die Künstlergenerationen in Öl und Tusche festgehalten haben

Die Sonne steht tief und taucht die alte Linde, die auf dem Anwesen Petersson steht, in ein besonderes Licht, als sich Sandra und Sebastian zum letzten Mal auf den Sattel schwingen. In Ahrenshoop werden die Zeitenwandler im Hotel The Grand entspannen und Kräfte für den nächsten Tag sammeln. „Doch vorher möchte ich noch die Dünen sehen“, sagt Sandra. Entlang des Kunstpfads, mit seinen Landschaftsgemälden, lassen sich die beiden von der Schönheit der hellgrünen Gräser, des feinen Sandes und der blauen See verzaubern und verstehen sofort, warum dieser Anblick auch die Maler der Künstlerkolonie Ahrenshoop schon Mitte des 19. Jahrhunderts berührte.

Auf einer Aussichtsplattform, ganz in der Nähe des Strandes, kann das Pärchen genau jenen idyllischen Blick auf Ahrenshoop genießen, der bereits 1889 den angesehensten Landschaftsmaler Deutschlands und Begründer der Künstlerkolonie, Paul Müller-Kaempff, berührte und den er ein Jahr später in einem Gemälde verewigte. Mit diesem letzten, ergreifenden Eindruck verabschieden sich Sandra und Sebastian in die wohlverdiente Nachtruhe. „Schließlich möchten wir morgen fit sein – es gibt noch viel zu entdecken!“ (TMV)