Neuer Jakobsweg führt von Bielefeld nach Wesel

Start des neuen Jakobswegs durch Westfalen wird in Bielefeld sein. (Foto: LWL)
Start des neuen Jakobswegs durch Westfalen wird in Bielefeld sein. (Foto: LWL)

In Westfalen wird es ab Frühjahr 2015 einen weiteren durchgehenden Weg der Jakobspilger nach historischem Vorbild geben. Nach vier Strecken (von Osnabrück nach Wuppertal, von Marburg über Siegen nach Köln, der Trasse des alten Hellwegs von Höxter nach Bochum und der Route von Minden nach Soest) wurde im vergangenen Jahr ein Weg von Bielefeld über Münster nach Wesel wissenschaftlich erforscht. Nun wird der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) den letzten Weg in Westfalen für die Öffentlichkeit aufbereiten und als rund 200 Kilometer langen Pilgerweg ausschildern lassen, wie LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschhoff-Thale jetzt  in Coesfeld mitteilte.

Über 80 Interessierte fanden sich im Coesfelder Rathaus ein, um sich über die neue Wegstrecke der Altertumskommission beim LWL zu informieren. Die Altertumskommission hofft auf Mitwirkende, die sich um die Pilger kümmern werden, ihnen beispielsweise Unterkünfte anbieten und Stempelstellen einrichten.

Rüschhoff-Thale kündigte für das Frühjahr 2015 einen Pilger- und Wanderführer der Ost-West-Verbindung an den Rhein an. Der Führer werde den historischen Weg, die über 1.000 Jahre alte Tradition der Pilgerreise nach Santiago de Compostela (Spanien) und viele Sehenswürdigkeiten entlang der Trasse in Westfalen beschreiben. Neben ausführlichem Kartenmaterial werden zudem pilgergerechte Unterkünfte und Öffnungszeiten von Sehenswürdigkeiten nachzuschlagen sein. Gleichzeitig mit dem Buch wird auch eine begleitende Web-App abrufbar sein. So können sich technikbegeisterte Pilger nicht nur von der Ausschilderung, sondern auch von ihrem Smartphone über den Weg leiten lassen.

Wild romantisch umrahmt ist der Pilgerweg bei Marienfeld. (Foto: LWL)
Wild romantisch umrahmt ist der Pilgerweg bei Marienfeld. (Foto: LWL)

Der Wanderweg ist das Ergebnis der Forschungen der Altertumskommission für Westfalen, die der LWL mit jährlich 38.000 Euro finanziert. Hinzu kommt in diesem Jahr eine Förderung durch die Sparkassen Westmünsterland und Münsterland-Ost in Höhe von insgesamt 32.500 Euro.

Die Trasse von Bielefeld nach Wesel (vom Startpunkt an der Nicolaikirche in Bielefeld über den Jostberg, Steinhagen, Brockhagen, Marienfeld, Harsewinkel, Greffen, Bad Sassendorf, Warendorf, Telgte, Münster, Tilbeck, Schapdetten, Nottuln, Darup, Kloster Gerleve, Coesfeld, Hochmoor, Velen, Borken, Raesfeld, Kloster Marienthal nach Wesel) werde jetzt den Gemeinden vor Ort vorgestellt und bis zum Frühjahr 2015 mit der charakteristischen Jakobsmuschel (europaweit gelb auf blauem Grund) ausgeschildert, erläuterte Projektleiterin Ulrike Steinkrüger. In Wesel findet der Weg Anschluss an den bereits ausgeschilderten Weg entlang des Niederrheins bis nach Köln, wie Projektleiter Christoph Boddenberg vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) berichtete. Damit wird der Pilgerweg ab 2015 von Bielefeld quer durch Deutschland und andere europäische Länder bis nach Santiago durchgehend ausgeschildert sein.

Das Tilbecker Mordkreuz ist ein Wegeindikator. (Foto: LWL)
Das Tilbecker Mordkreuz ist ein Wegeindikator. (Foto: LWL)

Der entstehende Pilgerweg ist nach Angaben von Steinkrüger weitgehend an historisch belegte Wegführungen angelehnt. Steinkrüger: „Wir haben Reste von Hohlwegen gefunden, die sich durch die schweren Fuhrwerke ins Gelände eingegraben hatten. Ein besonders schönes Teilstück werden Pilger zukünftig in Darup durchqueren. Auch ehemalige Galgenstandorte und Landwehrdurchlässe sind beispielsweise Zeugnisse der alten Wegetrasse.“

Dass auch tatsächlich Pilger diesen Weg benutzten, zeigt zum Beispiel das im 15. Jahrhundert auf dem Jostberg in Bielefeld bestehende Franziskanerkloster. Dessen Brüder hatten sich der Versorgung der Pilger zum dort verehrten Heiligen Jodokus, aber sicherlich auch durchreisender Pilger zu anderen Zielen verschrieben. In vielen Städten bestanden Herbergen oder Hospitäler, in denen durchreisende Pilger unterkommen konnten, so z. B. in Bielefeld, Marienfeld, Warendorf und Coesfeld. Mit der alten Jakobikirche aus dem 12. Jahrhundert und einer Jakobi-Bruderschaft im 16. Jahrhundert zeigt die Stadt Coesfeld eine besondere Tradition der Verehrung des Apostels Jakobus d.Ä.

Das Projekt wolle die mittelalterlichen Wege und die Spuren der Jakobspilger in Westfalen möglichst genau rekonstruieren, so die Vorsitzende der Altertumskommission, Dr. Aurelia Dickers: „Es gab für die Pilger in Westfalen und anderswo keine eigenen Wege, im Gegenteil: Sie suchten aus Angst vor Überfällen stark frequentierte, bekannte Trassen.“

49026Die Pilgerfahrt zum Grab des Apostels Jakobus des Älteren im über 2.000 Kilometer entfernten nordspanischen Santiago de Compostela hat eine Tradition, die bis ins Mittelalter zurückgeht. Man versprach sich die Heilung von Körper und Seele als Lohn für den Besuch der Kultstätte.

Seit dem 10. Jahrhundert kamen aus ganz Europa Pilger, Männer und Frauen aus allen Schichten, nach Spanien, zu Fuß oder zu Pferd. Als Beleg und Erkennungszeichen diente die Jakobsmuschel, die jeder Pilger in Santiago erstehen konnte und deutlich sichtbar an der Kleidung oder Umhängetasche trug.

„Seit einigen Jahren erlebt die Pilgerfahrt eine Renaissance, nicht erst, seit TV-Stars wie Hape Kerkeling sich auf den Weg machten: 2004, also zwei Jahre vor Erscheinen des Bestsellers „Ich bin dann mal weg“, zählte man in Santiago rund 180.000 registrierte Pilger“, so die Vorsitzende der Altertumskommission. Im Jahr 2010, ebenfalls einem heiligen Jahr, in dem der 25. Juli auf einen Sonntag fiel, waren es sogar 270.000. Bereits 1987 hatte der Europarat dazu aufgerufen, die Jakobspilgerwege in Europa zu erforschen. 1993 erklärte die UNESCO den spanischen Teil des Weges, den „Camino Francés“, zum Weltkulturerbe.

In Münster kreuzen sich bald zwei Wege an der Lambertikirche. (Foto: LWL)
In Münster kreuzen sich bald zwei Wege an der Lambertikirche. (Foto: LWL)

Über Jakobspilger, die aus Westfalen stammen, sei insgesamt nur wenig bekannt, so die Forscherin Ulrike Steinkrüger. Bekanntester westfälischer Pilger ist Bischof Anno aus Minden, der sich in den Jahren 1174 und 1175 auf den Weg nach Santiago de Compostela machte, das damals als Pilgerort gleichrangig neben Rom und Jerusalem stand.

Durch eine Pilgerreise konnten Verbrecher auch ihrer Strafe entgehen, wenn ein Gericht sie dazu verurteilte. „Bettler, Räuber und Steuerhinterzieher im Pilgergewand haben zusammen mit den Strafpilgern die Pilgerfahrt im Laufe der Zeit in Verruf gebracht. Jakobsbrüder wurden vielerorts mit Gesindel gleichgestellt. In Herford, einer wichtigen Sammelstation für Pilger in Westfalen, soll die Jakobikirche 1530 wegen der Jakobspilger, die den Status für ihre Zwecke ausgenutzt haben, geschlossen worden sein“, erläuterte Steinkrüger. Für mittellose Menschen war jedoch eine Pilgerreise oft die einzige Möglichkeit, die Heimat zu verlassen. Wohlhabende konnten das Pilgern auch delegieren und einen Berufspilger mieten.

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