Mit Sexfilmen zu neuen Höhenflügen

Neben dem Telefonieren und der Nutzung des Internets ist dank des Aufkommens der Billig-Airlines das Fliegen wohl das einzige, was in den zurückliegenden Jahren auch in Irland billiger geworden ist. Gerne nutzen die No-Thrills-Airlines wie die irische Fluggesellschaft Ryanair abgelegene Flughäfen mitten in der Pampa, etwa drei Kilometer hinter dem Nichts und dann noch einmal zwei Tage geradeaus. Gleichwohl trägt dieses Modell Früchte – und bringt so manche Blüten hervor. So kündigte Michael O’Leary, der Chef von Ryanair, an, dass ab dem kommenden Jahr über den Wolken auch Sexfilme flimmern könnten, um bei den Passagieren während Flugzeit für etwas Zerstreuung und Unterhaltung zu sorgen. Selbstverständlich soll die Schmuddelfilmchen nicht auf den normalen Bildschirmen in der Flugkabine oder auf dem Display in der Rücklehne des Vordermanns gezeigt werden, sondern als App für iPads oder Smartphones angeboten werden. Gegen Gebühr versteht sich. Für O’Leary verbietet sich nun mal kein Denkansatz, wenn es darum geht, weitere Gelder zu verdienen. Und so führt der findige Geschäftsmann an, dass schließlich auch Hotels Pornofilme in ihrer Zimmer zum Abruf anbieten.

Unabhängig davon, ob das Vorhaben tatsächlich realisiert wird, erfolgt dieser Vorstoß natürlich bewusst. Denn so gelingt es O’Leary mit seiner Fluggesellschaft für Schlagzeilen zu sorgen und kostenlose PR zu ergattern. Denn dies gehört zu den Grundprinzipien des erfolgreichen Billigfliegers. Die irische Airline verdrängte nicht nur den Platzhirsch Aer Lingus von der lukrativen Dublin-London-Verbindung, sondern erschloss reihenweise europaweit Reiseziele, von denen das Gros der Europäer bis dahin gar nicht wusste, dass es diese überhaupt gibt. Als kleines Dankeschön für die Nachhilfe in Sache Geographie erhalten die Passagiere nach einem einstündigen Flug in der Regel noch eine zwei- bis dreistündige Bus- oder Bahnfahrt, um an ihr eigentliches Ziel zu gelangen. So ist etwa der Flughafen Frankfurt-Hahn nicht in Frankfurt, sondern im Hunsrück. Der Flughafen Hamburg-Lübeck liegt eben nicht an der Alster, sondern in der Nähe des Holsten Tores unweit der Ostseeküste.

Wer mit dem Auto anreist, stellt schnell fest, dass die Parkplatzgebühr schnell mal den Preis für das Flugticket um ein Vielfaches überschreiten kann. Hier wird dann noch schnell eine Flughafengebühr kassiert, dort Kerosinzuschlag. Und natürlich lässt sich Ryanair, das übrigens 2011 bei einer Umfrage der britischen Tageszeitung The Sun hinter dem Fußballverein Manchester United und noch vor Energieversorger British Gas auf Platz 2 der Liste der am meisten gehassten Unternehmen auf den britischen Inseln gewählt wurde, für den Transport eines Gepäckstückes extra entlöhnen und kassiert für Snacks und Getränke saftig ab.

Außerdem verkommt die Flugreise mit dem irischen Billigflieger mehr und mehr zu einer Verkaufsveranstaltung. Bis auf Teppiche wird in 10.000 Metern Flughöhe alles feilgeboten, was in den Schiebekarren der Flugbegleiterinnen passt. Die Stewardessen bei Ryanair sind dann auch mehr Impulsverkäuferinnen, versuchen neben Duty Free Waren auch Tombolalose, Reiseführer und Bustickets an den Mann oder die Frau zu bringen.

Nicht selten schieben die vermutlich tendenziell eher unterbezahlten Flugbegleiter daher etwas frustriert mit ihren Wägelchen durch den Mittelgang. Denn die Gäste der Billig-Airline sind tendenziell die Schotten unter den Reisenden und wollen lieber sparen, als noch mehr Geld auszugeben. Um den Kauf dennoch anzukurbeln, lässt das Personal fast nichts unversucht. Immer wieder ist an Bord der Ryanair das Angebot zu vernehmen: „Anyone for tea or Coffee? Anyone who wants to kiss an Irishman?“ – „Tee oder Kaffee? Ojemand einen Iren küssen?

Und als ob dies noch nicht genug wäre, überrascht Michael O’Leary die Billigflugjünger immer wieder mit neuen Ideen und potentiellen Einnahmequellen für sein Unternehmen. So betonte der findige Geschäftsmann vor einiger Zeit, dass er sich vorstellen könne, für die Nutzung der Bordtoiletten eine Gebühr zu verlangen. Rund einen Euro soll möglicherweise für das kleine Geschäft über den Wolken verlangt werden, das sich dann schnell zum großen Geschäft für die Airlines entwickeln könnte. Geld stinkt ja bekanntlich nicht.

Da der Umbau der Toilettentüren mit Schlitzen und Geldkassetten sowie deren Wartung sehr aufwendig und teuer sein dürfte, ist wohl wahrscheinlicher, dass O’Leary das Ganze vielleicht als eine Art Franchise-Unternehmen an die freundliche Toilettenfrau von nebenan vergibt. Diese könnte dann wie an Autobahnraststätten ein kleines Tischchen mit einem Teller aufstellen und so für ihre Reinigungskraft entlohnt werden. Ryanair könnte von der Pinkelgebühr einen gewissen Anteil kassieren und der Reinigungsfrau zusätzlich das Aufstellen eines Sitzes an Bord in Rechnung stellen und so – wie so oft – doppelt verdienen.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Billigflieger nicht völlig die Bodenhaftung verlieren, zumal dieses Geschäftsmodell irgendwie abgehoben wirkt. Demnächst gibt es wohl nur noch zwei Arten von Passagieren an Bord des irischen Billigfliegers: Die Dehydrierten, die aus Angst müssen zu müssen, schon Stunden vor dem Flug nichts mehr getrunken haben, und jene, die mit tief gelben Augen bei der Landung aus dem Flieger stürmen und noch auf dem Rollfeld unter sich gehen lassen.

Aber mal ehrlich, wir wollen billig, wir kriegen billig und müssen da einen gewissen Preis für zahlen. Da alle Flächen am und im Flugzeug mit Werbung voll gepflastert sind – angefangen von den Ausklapptischchen bis hin zur Leiste an den Gepäckfächern und den Bezügen der Kopfstützen –, bleibt der irischen Fluglinie nach Einführung des Sexfilm-Apps wohl nur noch eine weitere Geldgewinnungsmaßnahme: Die Atemluft-Pauschale für die die Flugkabine. Denn da will wirklich keiner sparen, auch wenn es vor dem Start heißt: „Tief ryanatmen…“

Buchtipp: Ulrike Katrin Peters, Karsten-Thilo Raab: Oh, diese Iren, Conrad Stein Verlag, ISBN 978-3-86686-804-5, 5,90 Euro. Das Buch ist im Buchhandel oder direkt beim Conrad Stein Verlag erhältlich.

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