Leuchtende Montankunst – Halde Rheinpreußen

Das Geleucht - eine weithin sichtbare Landmarke auf der Halde Rheinpreußen. (Foto Christiane Grobongardt/Pixelio)
Das Geleucht – eine weithin sichtbare Landmarke auf der Halde Rheinpreußen. (Foto Christiane Grobongardt/Pixelio)

In Moers haben sie im wahrsten Sinne des Wortes allabendlich die Lampe mächtig an. Was nicht bedeutet, dass das Gros der 105.000 Einwohner volltrunken durch die Gegend torkelt. Vielmehr sehen die Bewohner rot – zumindest, wenn sie Richtung Halde Rheinpreußen blicken. Allabendlich wird der mit dem Abraum der Zeche gleichen Namens im Stadtteil Meerbeck aufgeschüttete, 75 Meter hohe Berg spektakulär illuminiert. Dabei wird neben einem 8.000 Quadratmeter großen Ausleuchtungsfeld mit 35 Leuchtmasten die von Otto Piene (1928-2014), dem im westfälischen Laasphe geborenen Lichtkünstler und Mitbegründer der ZERO-Bewegung, geschaffene Skulptur „Das Geleucht“ besonders ins Licht gerückt.

Rund 1,2 Millionen Euro flossen in der Fertigstellung des Kunstwerks, das nur einen Steinwurf vom Rheinufer entfernt zu einem besonderen Blickfang geworden ist. Schon von weitem ist die ungewöhnliche Silhouette der roten Skulptur mit dem geschwungenen Haken am oberen Ende zu erkennen. Die knapp 30 Meter hohe, begehbare Stahlkonstruktion hat einen Durchmesser von 6,5 Metern und verfügt in 9,5 Metern Höhe über eine Aussichtsplattform. Von hier bietet sich ein 360-Grad-Rundumblick auf den Niederrhein mit der noch immer verkehrsreichsten Wasserstraße Europas und bei klarer Sicht bis in die benachbarten Niederlande. Auch der Landschaftspark Duisburg-Nord sowie das Mündungsgebiet der alten und neuen Emscher in den Rhein fallen von hier ins Auge.

Optisch ist „Das Geleucht“ der Davy-Lampe nachempfunden. Dieses Utensil, benannt nach dessen Erfinder, dem Engländer Sir Humphry Davy, hatte bei seiner Einführung die Sicherheitslage unter Tage im frühen 19. Jahrhundert revolutioniert. Zuvor arbeiteten die Bergleute im Licht offener Flammen, was die Gefahr von Schlagwetterexplosionen beim Austreten der Grubengase immens erhöhte. Davy fand heraus, dass ein hochexplosives Methan-Luftgemisch sich in engen Röhren mit weniger als 3,5 Millimetern Durchmesser und einem Drahtnetz mit ausreichend feinen Maschen nicht entzündet.

Otto Piene hatte vor diesem Hintergrund bewusst eine überdimensionale Grubenlampe als Symbol des Bergbaus geschaffen, mit der die harte Arbeit der vielen, vielen Kumpel des Ruhrgebiets, die über Jahrzehnte unter Gefahr für Leib und Leben unter Tage schufteten, eine optische Würdigung erfährt. Schließlich gab es in und um Moers sowie dem angrenzenden Ruhrgebiet zeitweise bis zu 40 Bergwerke; wobei Rheinpreußen der erste linksrheinische Zechenstandort war. Hier wurde ab dem Jahre 1876 Kohle gefördert, nachdem bereits 1851 erste Probebohrungen angestellt worden waren. Die Bergehalde wurde ab dem Jahre 1963 systematisch auf dem Gelände eines alten Baggersees und bis 1990 zu ihrer heutigen Form angeschüttet.

Größer als der Vatikan: die Fläche der Halde Rheinpreußen in MOers. (Foto Marwel/Pixelio)
Größer als der Vatikan: die Fläche der Halde Rheinpreußen in MOers. (Foto Marwel/Pixelio)

Mit einer Grundfläche von 51,9 Hektar ist die Halde Rheinpreußen deutlicher größer als der Vatikan, der bekanntlich mit 44 Hektar das kleinste Land der Erde ist. Dabei ist das Gesamtvolumen des von Menschenhand geschaffenen Berges mit 21,1 Millionen Kubikmetern etwa zehn Mal so groß wie das der Cheops Pyramide in Ägypten, die es gerade einmal auf 2,6 Millionen Kubikmeter bringt. Doch auch sonst ist das weltweit größte Montankunstwerk eine Bauwerk der Superlative: 2,4 Kilometer Kabel wurden hier verlegt; 130 Tonnen Stahl, 450 Tonnen Beton und 5.300 Schrauben verbaut sowie zusätzlich 850 Kilogramm Farbe aufgetragen.

„Erst die Bergleute haben die Wirtschaft nach dem Krieg wieder zum Leben erweckt“, erläuterte Künstler Otto Piene bei der offiziellen Einweihung der Skulptur am 17. September 2007 sein Eigenverständnis und seine Anerkennung für die Leistung der Bergleute, die mit der Förderung des „schwarzen Goldes“ den Aufschwung des Landes erst möglich machten.

Die vermeintlich größte Grubenlampe der Welt wirkt nach Einbruch der Dunkelheit noch imposanter. Bei einem Testlauf am 8. August 2007 brannte in dem Kunstwerk zum ersten Mal Licht. Seither wird die ungewöhnliche Landmarke allabendlich spektakulär illuminiert. Und mit ihr ein kleines Meer mit 35 Leuchtmasten. Dann taucht das so genannte „Ausleuchtungsfeld“ in ein rubinrotes Licht.

Dabei soll die bewusst gewählte Farbgestaltung auch an einen glühenden Eisenstrom erinnern. Denn das Ruhrgebiet war ja lange Zeit nicht nur eine Kohlerevier, sondern auch ein bedeutender Standort der Montanindustrie und wurde gleichermaßen durch den Bergbau, durch Eisenhütten und Stahlwerke geprägt. Und so ist die Halde Rheinpreußen heute ein leuchtendes Denkmal des Kohlenpotts mit Signalwirkung.

Informationen: Halde Rheinpreußen, Gutenbergstraße, 47443 Moers, www.das-geleucht.de und www.route-industriekultur.de

Öffnungszeiten: Von Anfang April bis Ende Oktober ist der Aussichtsturm mittwochs, donnerstags, samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. In der übrigen Jahreszeit nur samstags und sonntags von 13 bis 16 Uhr.

Leuchtzeiten: Von April bis Oktober ist die Skulptur nach Einbruch der Dunkelheit täglich jeweils bis 23 Uhr, in der übrigen Jahreszeit bis 21 Uhr beleuchtet.

Eintritt: Der Eintritt ist frei.