La isla bonita blanca – La Palma ganz in Weiß

Karneval auf den Kanarischen Inseln, das hat viel mit heißen süd- und lateinamerikanischen Rhythmen zu tun. Teneriffa rühmt sich des zweitgrößten Karnevals der Welt. Dort beherrschen die bunten Gruppen und die zahlreichen Königinnen mit ihren gewagt-gewaltigen Staffagen die farbenfrohe Szenerie, während man ausgelassen zur Salsa-Musik tanzt. Die Umzüge auf Gran Canaria sind weniger schillernd, dafür umso schräger, lauter und garantiert nicht weniger fröhlich. Die südlichste Kanareninsel indes, La Palma, hat eine Tradition bewahren können, die ehedem auf allen Inseln verbreitet war. „Dieser besondere Brauch hängt ursprünglich mit den Auswanderern von den Kanaren nach Mittel- und Südamerika zusammen“, erklärt Stephan Kaufmann, deutscher Fremdenführer auf der Insel. „Überliefert ist, dass die Rückkehrer mit einem derart dunklen Teint wieder in ihre Heimat kamen, dass sie von den eigenen Angehörigen nicht mehr erkannt wurden. Diesen Umstand versuchten die Palmeros mittels Mehl im Gesicht und auf den Händen der Ankömmlinge abzuändern. Was heute daraus geworden ist, sieht man hier draußen.“ Er deutet lächelnd aus dem Fenster auf die große, wallende Staubwolke, die von der Haupteinkaufsstraße O´Daly der Hauptstadt Sta. Cruz de La Palma langsam in die Höhe steigt, begleitet von fröhlichem Lärm.

Doch der Reihe nach: auf der Westseite La Palmas liegt die zweitgrößte Stadt der Insel, Los Llanos de Aridane. Architektonisch erinnert vor allem der Innenstadtbereich ein wenig an die Hauptstadt Venezuelas, an Caracas. Recht moderne Gebäude in grellem Weiß wechseln sich mit einigen, wenigen historischen Bauwerken ab. An vielen Giebelwänden prangen überdimensionale Bilder, Wandgemälde mit fantasievollen Motiven, die an den jeweiligen Häusern auch erklärt sind. Auf dem lebendigen Hauptplatz im Zentrum sitzen die älteren Herren dösend auf den Bänken, die Cafés sind gut gefüllt, Touristen und Einheimische halten sich die Waage.

Doch Spannung liegt in der Luft, die zu dieser Jahreszeit schon eine angenehme Wärme verbreitet. Einige farbenfroh kostümierte Palmeros laufen umher, jetzt am Karnevalssamstag, lachen, machen Musik und tragen auffällige längliche Dosen bei sich. Kinder spielen Fussball vor der Kirche. Hier staubt es ungewöhnlich stark, denn sie bewerfen oder besser sie bestäuben sich mit Babypuder, während sie laut grölend dem Ball hinterher jagen. Schon bald sind sie eingehüllt in weiße, wabernde Wölkchen. Davon bleibt natürlich auch ihr Umfeld nicht verschont und nur wenig später hat jeder auf der Calle General Franco wenigstens eine kleine Prise Puder abbekommen. Die Musikanten ziehen nun in geordneter Formation mit ihren Salsarhythmen die Straße hinunter, nur unzureichend die permanenten, allerdings vergleichsweise verhaltenen Pudersalven abwehrend. Später, nach Einbruch der Dunkelheit, folgt noch eine große Party im Stadion, auch diese geprägt von viel Staub und ausgelassener Fröhlichkeit.

Zur gleichen Zeit ziehen in Sta. Cruz die Botschafter und Diplomaten aus Übersee, aus den Kolonien Süd- und Mittelamerikas, Afrikas und Südostasiens ein. Glanzvoll die Kleider und Gewänder der Damen, darunter sind auch bei genauerer Betrachtung einige Herren zu erkennen, hochtoupiert und effektvoll geschminkt stolzieren sie Arm in Arm mit ihren “angetrauten Ehemännern“, diese Orden behängt im eleganten Ornat, die Straße hinauf, manche haben ihre ganze Familie dabei. Ein Bild, welches in die goldene Opulenz der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts passen könnte. Quer über die Brust prangt, meist rot und golden, eine breite Schärpe, die ihre Herkunft verdeutlicht. Botschafter von Havanna ist da zu lesen, Kuba, Venezuela, Senegal, Mexico. Fahnen dieser und vieler weiterer Länder wehen zudem von den Hausfassaden.

Die Asiaten treten wie im richtigen Leben in Gruppen auf, ganz in rot oder gelb, mit typisch-kegelförmiger China-Mütze, während die Kostümierungen der eingestreuten Musikgruppen eher an neureiche Kolonialherren erinnern, die gerne ihren soeben gewonnenen Reichtum zur Schau stellen. Da quellen die Dollarscheine aus den Brusttaschen und der Krempe des Strohhutes, machen dicke, meist kalte Zigarren die Runde. Goldzähne blitzen. Selbst Uniformen tauchen auf, militärisch vielleicht nicht immer ganz korrekt, dazu prächtige Vollbärte, die Ähnlichkeiten mit tatsächlich existierenden Personen und Persönlichkeiten vermuten lassen. Der Einmarsch der Botschafter läutet traditionell das eigentliche Karnevalsgeschehen ein, welches nach einigen kleineren Veranstaltungen und Umzügen am Sonntag am darauffolgenden Rosenmontag bevorsteht.

„Du musst unbedingt helle Kleidung tragen, sonst wirst Du ganz von selbst zur beliebten Zielscheibe“, waren Stephans Worte. Und tatsächlich, schon am frühen Morgen dominiert die Farbe Weiß. Kein Gedanke an rote Pappnasen oder bunte Clownskostüme, an Tanzmariechen oder Harlekin. Weiße und hellbeige Baumwollhosen, -hemden und -röcke allüberall. Dazu ein heller Strohhut – so die klassische und typische Verkleidung der Palmeros an diesem besonderen Tag. An Requisiten sind bunte Stoffpapageien und riesige Schrankkoffer zu entdecken.

Man trifft sich zunächst auf der Plaza de Espana, am Eingang zum Rathaus, umgeben von einigen historisch bedeutsamen Bauwerken und zu Füßen der Iglesia de El Salvador mit ihrer großen Freitreppe, auf der sich schon viele Kostümierte niedergelassen haben. Fruchtsäfte werden ausgeschenkt, auch Alkoholisches aus Glaskaraffen in einer ebenso schmackhaften, wie sündhaft, süßen Mischung. Musiker stimmen ihre Instrumente, während die Sonne den sanft wogenden Schatten der Königspalmen auf die ebenso strahlend weiß getünchten Kirchenwände wirft.

Schnell füllt sich der Platz, den so mancher als den schönsten der Kanaren bezeichnet, mit Leben. Eine freudige Spannung liegt in der Luft. Erwartungsvoll lauschen alle den schwungvollen Rhythmen der Musiker und blicken auf das mächtige Rathausportal. Und von dort kommt kurz darauf das Startzeichen für den Beginn der Feier. Dann gibt es kein Halten mehr: die Puderdosen werden gezückt und weißer Staub vernebelt die Sicht. Alles erinnert ein wenig an eine ungestüme Schülerposse, an eine Auseinandersetzung, die mittels Babypuder ausgefochten wird. Doch hier sind auch die Honoratioren beteiligt, mit Freude und weit entfernt von feindseligen Gedanken.

Es ist kaum noch möglich die Getränke staubfrei zu halten. Friedliche, mithin staubige Verteidigung ist angesagt. Denn jeder, der eine Ladung Puder abbekommen hat, möchte sich zur Wehr setzen, in kindlichem Eifer selbst austeilen, und das geht kaum mit nur einer freien Hand. Aus der weißen Menge ragen zuweilen noch die Botschafter heraus, deren gestyltes Äußeres nun mit feiner weißer Patina überzogen wird. Die schokoladenbraunen Gesichter der Farbigen zieren weiße Flecken, Kinder werfen ausgelassen mit dem Staub um sich, andere pusten ihn fast zärtlich von der Handfläche hinab auf die vorbeiziehenden Menschen.

Auf und ab bewegt sich die Menge der Teilnehmer über die gesamte Länge der Calle O´Daly. Ein weißes Meer, aus dem die zahllosen Strohhüte herausragen und über dem eine gräulich weiße Wolke schwebt. Feine Damen tragen elegante, aber altmodische Schirmchen, die keinerlei Schutz vor den Pudersalven bieten und wohl eigentlich auch nicht dafür gedacht sind. Viele Touristen, die teils verwundert dieses merkwürdige Treiben beobachten, bemühen sich ihre Kameras zu schützen, gleichzeitig jedoch Bilder zu machen und zumeist erfolglos dem Puderinferno auszuweichen.

Nach den ersten Puderwogen des Vormittags und einer nahezu staublosen, zwischenzeitlichen Verschnaufpause geht es am späten Nachmittag weiter mit dem großen Umzug der Los Indianos. Scharenweise strömen die Teilnehmer wieder den großen Boulevard hinunter und versammeln sich am Kreisverkehr und Beginn der Fußgängerzone. Hauptsache Weiß heißt jetzt die Devise in der Kostümfrage, es muss nicht unbedingt mehr die Auswandererkluft sein. Wichtigstes Utensil bleibt indes die längliche Puderdose und damit der Nachschub auch nicht versiegt fährt ein Sponsoren-LKW mit einer ganzen Wagenladung vor. Unter dem begeisterten Gejohle der Massen fliegen die Behälter voller flüchtigen Inhalts dann in die staubige Atmosphäre.

Langsam bricht die Dämmerung herein, die Straßenlaternen werfen mattes Licht auf das zunehmend verblauende Weiß, doch niemand denkt daran dieses große, ausgelassene Straßenfest zu verlassen. Immer noch werden die feiernden Mitmenschen heftigst gepudert. Der Staub landet logischerweise auch in den jetzt gut besuchten Bars und Restaurants, die ihren Ausschank vielfach auf die Straße verlegt haben. Bis spät in die Nacht liegt der süßliche Geruch des Babypuders in der Luft, nicht auszudenken, wie das Ganze mit Mehl ausgesehen hätte. Erstaunlich genug, dass am nächsten Morgen der ganze weiße Zauber bereits verflogen, weil weggeräumt ist. Weitere Informationen unter www.spain.info.

Termine: Der Karneval Blanco von La Palma findet zu den gleichen Zeiten statt, wie die hiesigen Karnevalsveranstaltungen. Kernzeiten 2012 auf der Insel sind der 16. – 22. Februar, Rosenmontag am 20. Februar, am Aschermittwoch wird traditionell die Sardine beerdigt. In den Folgetagen gibt es noch kleinere Umzüge und Feste.

Anreise:  Die schnellste Anreise nach La Palma erfolgt mit Linienflügen der Iberia über Madrid, www.iberia.com. Viele Pauschalreiseveranstalter haben die Kanarischen Inseln und damit auch La Palma in ihrem Programm. Dabei ist dann auch der Direktflug möglich, hier zumeist mit Air Berlin.

Unterkunft:  Auf La Palma gibt es zahlreiche Hotels, Apartments und auch private Unterkunftsmöglichkeiten. Besonders empfehlensewert, weil in geringer Entfernung zur Hauptstadt und nah zum Flughafen, der aber kaum stört, das Hotel Hotasa Taburiente Playa an der Playa Los Cancachos.


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