Kuscheljacken – der Wunderstoff aus Singapur

Obwohl das Schild am Changi Airport anderes andeutet, scheint in Singapur irgendwie auch menschliche Kälte zu herrschen. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Obwohl das Schild am Changi Airport anderes andeutet, scheint in Singapur irgendwie auch menschliche Kälte zu herrschen. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Über Singapur wissen wir wenig. Allenfalls, dass es in dem südostasiatischen Stadtstaat blitzsauber ist und dass Kaugummis dort lange verboten waren. Mehr als fünf Millionen Menschen leben in dem boomenden Wirtschaftszentrum. Die von ihnen meisten sind vermutlich allein, sehnen sich nach etwas Zärtlichkeit, nach etwas Zuneigung. In dem Land, in dem fast ganzjährig Temperaturen um die 30 Grad Celsius auf der Quecksilbersäule angezeigt werden, scheint menschliche Kälte zu herrschen. Ach was, dort herrscht vermutlich sogar eine zwischenmenschliche Eiszeit. Statt Sonnenbrand dürften die meisten Einwohner Frostbeulen am gebrochenen Herzen haben.

Diesen Schluss legt zumindest die Tatsache nahe, dass ein findiger Untertan aus der geschäftigen Republik, die bis 1965 Teil des benachbarten Malaysias war, jetzt eine computergesteuerte Kuscheljacke entwickelte. James Teh, dessen englischer Vorname vermutlich auch einer Erfindung ist, hat eine gefühlsechte Jacke entwickelt. Das Wunderstoffchen vermittelt dem geneigten Träger das Gefühl, geliebt zu werden. Wenn auch nur von einem zusammengenähten Stück Kleidung.

Dieses aber hat es in sich. Denn die High-Tech-Schmuse-Jacke verfügt über zahlreiche kleine Polster, die je nach Bedarf einzelnen oder zusammen aufgeblasen oder Luft entleert werden können. Dadurch entsteht der Eindruck, als würde die Jacke den Träger umarmen, drücken oder gar massieren. Das Tollste: der Kuscheleffekt lässt sich mit dem Computer oder Smartphone eigenhändig steuern, ist also eine Art von digitaler Selbstbefriedigung. Was ja nichts Verwerfliches sein muss. Im Gegenteil, wenn man sich mal wieder nach etwas Zuneigung sehnt, und gerade niemand in der Nähe ist, der dafür geeignet scheint, streift man einfach besagte Wunderjacke über.

Thekenbrust & ZackendruseAngesichts der mollig warmen Temperaturen in Singapur klingt dies allerdings nach echt heißer Liebe. So gesehen wäre James Teh gut beraten, das Kleidungsstück noch etwas weiter zu entwickeln und beispielsweise mit einem eingebauten Deo zu versehen. Ansonsten dürften die heiß geliebten Kuscheljünger schon bald reihenweise Abkühlung im Indischen Ozean suchen. Und da kann die Jacke sehr nützlich sein. Schließlich garantieren die Luftpolster einen gewissen Auftrieb.

Buchtipps: Karsten-Thilo Raab: Thekenbrust & Zackendruse, Westflügel Verlag, ISBN 978-3-939408-11-6, 12,50 Euro. Erhältlich ist das Buch im Buchhandel oder direkt beim Verlag.

Karsten-Thilo Raab: San Diego Waldfried,  (ISBN: 978-84-9015-620-9). Erhältlich ist der Kolumnenband im Buchhandel, direkt beim Verlag oder online zum Preis von 20,90 Euro.