Istanbul – Rekordjagd am Bosporus

Die Hagia Sophia gehört zu den berühmtesten Kuppelbauten in der Megametropole Istanbul.

Beeindruckende Zeugnisse einer langen, bewegten Vergangenheit, Gigantismus und Superlative allenthalben – keine Frage, Istanbul ist nicht nur die türkische Supermetropole, sondern auch ein pulsierender Schmelztegel der Kulturen mit besonderem Charme. Schon auf der Fahrt vom Flughafen ins rund 25 Kilometer entfernte Zentrum sind Geschichte und Geschichten, aber auch Rekordverdächtiges allgegenwärtig.

So etwa die in weiten Teilen gut erhaltende, 1.600 Jahre alte Stadtmauer, die mit einer Länge von 28 Kilometern als die drittlängste Mauer der Welt gilt. Parallel zur historischen Abgrenzung aus der Römerzeit finden sich viele Friedhöfe, die in früheren Jahrhunderten noch außerhalb der Stadt lagen. Denn die weltweit einzige Stadt, die auf zwei Kontinenten liegt, wächst rasant, so dass die Stadtmauer und die Friedhöfe heute von zahlreichen neuen Stadtvierteln umrahmt werden.

Istanbul
Wie viele Menschen in Istanbul leben, ist nicht bekannt – nur das nicht wenige noch osmanische Tradition leben. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Nach Schätzungen leben zwischen zwölf und 16 Millionen Menschen in Istanbul – niemand vermag es genau zu sagen“, so Faruk Ayaz. Gleichzeitig verweist der in Nordenham geborene Deutsch-Türke, der seine Brötchen als Fremdenführer verdient, nicht ohne Stolz auf die Tatsache, dass seine Wahlheimat sich mit großen Abstand längst zur größten Metropole Europas aufgeschwungen hat – auch wenn der Großteil des Stadtgebiets eigentlich im asiatischen Teil liegt. Und obschon Ankara die Hauptstadt der Türkei sei, so Faruk weiter, ist das einstige Byzanz und Konstantinopel mit weitem Abstand wohl die wichtige kulturelle und wirtschaftliche Drehscheibe des Landes überhaupt.

Dabei gelang der Millionenmetropole am Bosporus auf beeindruckende Art und Weise der Spagat zwischen dem Vorgestern und dem Übermorgen. Anfang der 1980er Jahre wurde die Schwerindustrie aus dem Stadtgebiet verbannt. Heute finden sich Hightech-Unternehmen hier, uralte Basar da. Moderne Stahl-Glas-Komplexe und Shopping-Malls liegt neben beeindruckenden Relikten des Osmanischen Reiches. Und überall im Stadtgebiet zeugen Baukräne von einer kollektiven Aufbruchstimmung.

Die Europabrücke in Istanbul – das Verbindungsstück zwischen Europa und Asien. – Foto Karsten-Thilo Raab

Nur im Straßenverkehr ist diese kaum spürbar. Wie alle Millionenstädte hat Istanbul schlicht zu wenig Straße für zu viele Autos. Und so bedeutet Unterwegssein auf den Straßen der größten Stadt der Türkei, vor allem, Geduld zu lernen. Was nicht nur der Tatsache geschuldet ist, dass sich das Stadtgebiet rund 70 Kilometer in Nord-Süd-Richtung und rund 120 Kilometer in Ost-West-Richtung erstreckt.

„Rein statistisch gesehen steckt jeder eine Stunde pro Tag im Verkehr fest“, will Faruk wissen, dass seine Wahlheimat die zweitschlimmste Bilanz weltweit nach Moskau in punkto Verkehrsinfarkt aufweisen würde. Trotz zahlreicher Maßnahmen wie dem Bau neuer U-Bahnlinien würde das Problem sicher so schnell nicht gelöst werden, so der wortgewandte Deutsch-Türke weiter. Denn täglich würden allein 950 Fahrzeuge neu zugelassen.

Wichtiger Teil der türkischen Lebensart sind die vielen Basare, die es auch Istanbul gibt. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Die stabile Währung und der anhaltende wirtschaftliche Aufschwung sorgen dafür, dass sich mehr und mehr Menschen ein Auto leisten können“, zeigt Faruk Verständnis für seine Landsleute. Dabei würden derzeit nur etwa 38 Prozent der Istanbuler einen Wagen fahren. Tendenz stark steigend. Zumal der Durchschnittsjahresverdienst in den zurückliegenden zehn Jahren deutlich von 3.400 auf 11.000 Dollar angestiegen sei. Trotzdem gibt es nicht wenige Bewohner in den Außenzentren, die noch nie in Istanbuls Innenstadt waren.

„Trotz der immer besser werdenden Infrastruktur ist das für diese Leute mit Bus und Bahn eine halbe Weltreise“, so Faruk, wohl wissend, dass sich die meisten Besucher Istanbuls bei ihrer Stadterkundung auf den Bereich zwischen der Galata-Brücke, dem Sultanahmet Platz und der so gennannten Serailspitze beschränken. Denn in diesem Bereich liegen die wohl berühmtesten Gebäude der Stadt. Eine Region, die sich dank toller Istanbul Urlaubsangebote problemlos erkunden lässt.

Auch typische türkische Süßigkeiten werden in den Basaren feilgeboten. – Foto Karsten-Thilo Raab

Da ist beispielsweise der zum Museum umgewandelte Topkapi-Palast, in dessen Schatzkammer die sagenhaften Juwelen der Sultane zu bestaunen sind. Viele wollen hier aber auch hinter die Geheimnisse eines Harems blicken. Und dieser Bereich des Topkapi ist eine Stadt für sich – mit kleinen Moscheen, Bädern, Höfen, Gärten und 300 Räumen, in denen bis zu 500 Haremsdamen ihre Liebesdienste leisteten.

Wer Ruhe und Entspannung inmitten von Istanbuls touristischem Herz sucht, sollt ein im kostenfrei zugänglichen  lustwandeln. Die prächtige Grünanlage wird von den zinnenbewehrten Mauern des Topkapi umrahmt und wurde dereinst von den Sultanen für Ritterspiele und zum Bogenschießen genutzt. Heute sitzen hier alte Männer, schwatzen, trinken Tee und spielen Backgammon.

Eines der berühmtesten Gebäude am Goldenen Horn: die Hidayet Cami Moschee. – Foto Karsten-Thilo Raab

Nur einen Steinwurf entfernt, finden sich das Altorientalische und das Archäologische Museum sowie die Irenkirche, die älteste Kirche aus byzantinischer Zeit. Lohnenswert ist auch ein Besuch des unterirdischen Yerebatan Sarayi, eine der Zisternen aus römischer Zeit, die den Wasservorrat der Stadt sicherstellte.

„Wir haben 3.400 Moscheen im Stadtgebiet. Wobei die Hagia Sophia sowie die Blaue Moschee die berühmtesten sind“, verweist Faruk auf die Tatsache, dass die Mitte des 6. Jahrhunderts errichtete Hagia Sophia als das wohl bedeutendste Beispiel einer spätantiken Kuppelbasilika gilt.

Morgenstimmung über dem Golden Horn. – Foto Karsten-Thilo Raab

Die 1616 fertig gestellte Blaue Moschee heißt eigentlich Sultan-Ahmed-Moschee. Das Musterbeispiel osmanischer Architektur dient heute als Istanbuls Hauptmoschee. Den Beinamen „blau“ erhielt sie wegen der blau-weißen Fliesen, die die Kuppel und den oberen Teil der Mauern zieren.

„Ein Besonderheit der Blauen Moschee sind ihre sechs Minarette“, weiß Faruk, dass weltweit nur die Hauptmoschee in Mekka mit neun und die Prophetenmoschee in Medina mit zehn Türmen mehr Minarette haben.

Auch junge Souvenirverkäufer versuchen geduldig Hüte in osamnischer Tradition an den Mann zu bringen. – Foto Karsten-Thilo Raab

Ein Muss ist das Abtauchen in das Basar-Viertel, das zuletzt mit einer spektakulären Verfolgungsjagd im James Bond Abenteuer „Skyfall“ wunderbar in Szene gesetzt wurde. Zwischen dem Großen Basar mit seinen 4.000 Geschäften auf 32.000 Quadratmetern und dem Ägyptischen Basar findet sich ein Gewimmel an Straßen mit unzähligen Läden, kleinen Ständen Handelshöfen, wo wildes Gestikulieren und Feilschen unverzichtbarer Bestandteil des Einkaufs sind.

„Wer es weniger traditionell mag, findet in Istanbul auch hypermoderne Shoppingmalls, in denen alle großen Designermarken vertreten sind“, beteuert Faruk. Eine davon ist die Kanyon-Mall im Stadtteil Levent mit rund 150 exklusiven Modelabels. Diese drängen sich auch entlang der Abdi Ipekci, der wohl nobelsten Einkaufsstraße des Landes im mondänen Nişantaşı-Viertel. Nur einen U-Bahn-Halt entfernt, liegt der vor allem durch Demonstration und blutige Auseinandersetzungen mit Regimegegner bekannt gewordene Taksim Platz. Von hier aus führt Istanbuls bekannteste Einkaufsstraße, die İstiklal Caddesi, zum Vergnügungsviertel Beyoğlu.

Badegast im Cağaloğlu Hamami in Istanbul. – Foto Karsten-Thilo Raab

„Keine Istanbul-Abstecher wäre allerdings ohne den Besuch eines Hamams perfekt“, lautet dann noch ein Tipp von Faruk. Hervorragend könne man sich vor allem im Cağaloğlu Hamami in die Geheimnisse der türkischen Badekultur einführen lassen. Das Badehaus mit seiner prächtigen Hauptkuppel ließ Sultan Mahmut I. 1741 einen Steinwurf entfernt vom Großen Basar errichten. Mit den Einnahmen sollte die Bibliothek in der Hagia Sophia finanziert werden. Wie die meisten historischen Badehäuser ist Cağaloğlu ein so genanntes çifte hamam, ein Doppelbad mit separatem Bereich für Männer und Frauen.

„Lange Zeit war der Hamam einer der wichtigsten Treffpunkte. Hier wurden Geschäfte gemacht und von den Müttern gerne auch die potentiellen Schwiegertöchter einmal ohne Schleier und Klamotten in Augenschein genommen“, betont der in Istanbul lebende Familienvater die soziale Komponente des Gemeinschaftsbades. Und tatsächlich gehört zum Hamambesuch – anders als beispielsweise bei einem Saunagang in Deutschland, wo Wert auf Ruhe gelegt wird – neben einer tüchtigen Abreibung ein gepflegter Small Talk dazu. Schöner lässt sich ein Tag in Istanbul wohl kaum noch einmal Revue passieren. Weitere Informationen unter http://istanbul-tourist-information.com.