Robert Guliji Mills ist ein Mann zwischen zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Mit seiner tiefdunklen Haut, einer klaffenden Zahnlücke, dem grauen Bart und dem langen grauen Haar, das zu einem Zopf zusammengebunden ist, steht er am vereinbarten Treffpunkt an der Ecke Esplanade und Daley Road in Darwin. Robbi ist barfuss. In der einen Hand hält er ein Handy, in der anderen die schwarze Computertasche mit seinem Laptop. Robbi ist einer von rund 30.000 Aborigines, die in der Hauptstadt des australischen Northern Territories zu Hause sind.
„Willkommen in Larrakia – meinem Land und dem meiner Vorfahren“, ruft Robbi mit sonorer Stimme. Nein, Larrakia ist keine eigene Stadt und kein eigenes Land. Es ist das Stammland des gleichnamigen Stammes über das sich heute das Stadtgebiet von Darwin erstreckt. Im Zuge der Anerkennung der Rechte der Aborigines wurden den Larrakia, die auch „Saltwater People“ (Salzwasser-Menschen) oder Gulu-Mirrigin genannt werden, dieses Territorium wieder zugesprochen. Allerdings können sie sich nicht gegen die dort errichteten Häuser, Fabriken, Straßenzüge und Einrichtungen wehren. Die Larrakia sind Landbesitzer ohne Besitzanspruch.
Die zugebauten Flächen haben die Larrakia um weite Teile ihres ursprünglichen Lebensraums beraubt. Hier findet die Nachfahren der Ureinwohner kaum noch Platz für die Jagd. Längst leben die meisten von ihnen in kleinen Häusern, die zumeist von der Gemeinde errichtet wurden. Viele nehmen die Leistungen des Wohlfahrtstaates in Anspruch, ohne jemals ernste Absichten zu hegen, arbeiten zu gehen.
„Die Kultur der Aborigines ist weit älter als die Bibel. Und doch bemühen wir uns, uns anzupassen. Doch dies ist ein langer, langer Prozess“, sagt Robbi, der als einer der Stammesältesten eine wichtige Schlüsselrolle unter den Larrakia einnimmt. So hat Robbi vor ein paar Jahren mit Batji Tours sein eigenes kleines Einmannunternehmen gegründet. „Batji“ bedeutet „gut“, ist aber auch der traditionelle Gruß der Gulu-Mirrigin, zu denen Robbi gehört. Nahezu täglich führt er Touristen aus aller Herren Länder über „sein Land“, zeigt ihnen, welche Pflanzen essbar sind, welche Pflanzen als Seife, Sonnenschutz oder Medizin genutzt werden können. Vor allem aber vermittelt er einen tiefen Einblick in die Kultur der Aborigines und hofft so, für mehr Verständnis für sein Volk und dessen Lebensweise zu werben.
„Die meisten Aborigines können weder lesen noch schreiben. Einige Stämme haben kein Zahlensystem“, erklärt Robbi, dass die Larrakia eine Ausnahme bilden. Denn sie können bis 20 zählen. Dies entspreche eben der Zahl der Finger und Zehen. „Alles, was über 20 hinausgeht, wird von uns nur als „Big Mop“ bezeichnet“, fügt Robbi hinzu. Entsprechend antwortet er auch auf die Frage, wie viele Geschwister er habe, mit einem freundlichen „Big Mop“. Auch das Alter spiele für einen Aborigines keine Rolle. Big Mop eben. Oder „many, many Moons“ – „viele, viele Monde“. Ansonsten unterscheiden die Aborigines schlicht nach Lebensphasen vom Kleinkind bis zum Alten.
„Für uns sind alle gleich. Es gibt keine Hirarchie“, sagt Robbi, um gleich hinterher zu schieben, dass in seinem Stamm die Alten und die Jungen das Sagen haben. Die Alter, die „Elder“, aufgrund ihrer Erfahrung und Weisheit, die Jungen wegen ihrer Unschuld und Ehrlichkeit. Die Jungen werden automatisch zum „Elder“, wenn sie beide Elternteile verloren haben.
„Wir dürfen unseren Kindern nicht sagen, was sie zu tun haben“, ist Robbi ein vehementer Gegner der bestehenden Schulpflicht. Sie raube den Jungen und Mädchen ein Stück Kindheit. Die Kinder müssten selber lernen und entdecken, wo ihre Fähigkeiten liegen. Und das können sie für Robie am besten in der freien Natur. Wenn aus Kinder junge Männer werden sollen, werden sie im Busch ausgesetzt. Sie müssen die Schuhe, T-Shirts und die Kappe abgeben und sich über einen Zeitraum von acht bis zehn Wochen im Rahmen des sogenannten „walk abouts“ alleine durchschlagen. Quasi eine Selbstfindungsphase, an deren Ende sie zum Manne erhoben werden.
Für einen Moment wird Robbi ganz schweigsam und nachdenklich. Die kleine Gruppe folgt ihm entlang des Bicentennial Park oberhalb des Darwin Harbours, der doppelt so groß ist wie der weit berühmtere Hafen von Sydney. Im Uferbereich breiten sich kleine Mangroven-Wäldchen aus. Robbi pflückt ein paar Bush-Peanuts, ein paar Bush-Erdnüsse. Dann sammelt er ein paar Ameisen auf, zerquetscht sie zwischen seinen Fingern und kaut genüsslich auf dem kleinen Klumpen herum. „Bush Tucker“ nennt er die natürlichen Leckereien entlang des Weges.
„Vieles hat mit Respekt zu tun“. Robbi hat nach der kleinen Stärkung seine Stimme wieder gefunden, um weiter Aufschlussreiches aus dem Leben seines Stammes zu berichten: Aber dem zwölften Lebensjahr dürfe ein Aborigines nicht mehr mit den eigenen Schwestern reden und später, nach der von den Eltern arrangierten Hochzeit, auch nicht mit der eigenen Schwiegermutter. Folglich gehen sie sich vorsichtshalber soweit wie möglich aus dem Weg. Sollten Geschwister doch einmal etwas Dringendes zu besprechen haben, stellen sie sich so hin, dass sie einander nicht sehen können. Mit Fremden würden die Aborigines als Zeichen des Respekts jeglichen Augenkontakt komplett vermeiden. Robbi hält dies ein wenig anders, springt über den eigenen Schatten, weil er weiß, dass es seine Tourgäste nur irritieren würde, wenn er ständig beim Sprechen in eine andere Richtung blicken würde.
Gleichwohl aber lässt Robbi seine Tourgäste mit Blick auf Persönliches im Dunkeln. Über sein eigenes Alter sagt er nur „many, many moons“, über die Zahl seiner Ehefrauen „big mop“. Dafür verrät er, dass in seinem Stamm Frauen bis zu drei Männer heiraten dürften, Männer bis zu 26 Frauen. Dabei ginge es weniger um Sex, sondern darum, den Fortbestand des Stammes auf möglichst viele Schulter zu verteilen. Die Chancen, dass ein Stamm in der Wildnis überlebe, seien einfach größer, je mehr Mitglieder dieser Stamm habe, so Robbi weiter.
Wenn jemand stirbt, werden alle seine persönlichen Besitztümer vor dem Haus ausgebreitet. Jedes Stammesmitglied darf sich etwas davon nehmen, wobei die engsten Verwandten warten müssen, bis alle anderen sich etwas ausgesucht haben. „Autos sind immer am schnellsten weg“, weiß Robbi, der beteuert, dass irdische Besitztümer für ihn ohne Bedeutung seien. Er habe zwar Computer und Handy, doch dies sei allein der Tatsache geschuldet, dass er ein kleines Unternehmen führe. Erde, Wind, Feuer, Wasser, Universum, Menschen und Tiere sind die einzigen Elemente, mit denen sich die Mitglieder seines Stammes beschäftigen würden.
Schnell nascht Robbi noch ein paar Ameisen vom Baum. Dann führt er die kleine Gruppe hinunter an den Lameroo Beach. Der mit großen Steinen überzogene und von Mangroven gesäumte Strandabschnitt ist seit Tausenden von Jahren Treffpunkt und eine Versammlungsstätte der Larrakia. Mit langen Schritten stapft Robbi bis ins knietiefe Wasser des Meeres hinein. Dass seine Hose dabei nass wird, stört ihn wenig. Nun nimmt Robbi ein wenig Wasser in beide Hände und schüttet es über sein Haupt. Dann geht er in die Liegestützhaltung, senkt den Kopf und lässt seine Haare ins Wasser baumeln.
„Besseres Shampoo als Meerwasser kann es nicht geben. Es kostet nichts und schont die Umwelt“, lacht Robbi und schüttelt sein Haupt wie ein nasser Pudel. Nun bittet Robbi einen nach dem anderen zur traditionellen Willkomens-Zeremonie der Larrakia an das Ufer heranzutreten. Robbi steht im Meer, der Gast am Ufer und streckt ihm die Hände entgegen. Robbi nimmt mit seinen Händen Wasser auf und verteilt es in den Händen und an den Armen seines Gegenübers. Dann holt er noch mehr Wasser und verteilt es ihm Gesicht und in den Haaren seines Gegenübers. Mit dieser symbolischen Geste ist sein Gegenüber in den Kreis der Freunde seines Stammes aufgenommen, während Robbi ihm ein freundliches „Batji“ entgegen ruft.
Dann wird der sympathische Ureinwohner wieder ein wenig nachdenklich. Die eigene Kultur im Rahmen des schleichenden Anpassungsprozesses aufzugeben, komme für ihn nicht in Frage: „Wenn das Strom- und Kommunikationsnetz eines Tages zusammenbricht, wissen nur wir Aborigines, wo es Wasser und Essbares gibt“, wertet Robbi die Bewahrung der eigenen Kultur und Lebensweise auch als einen wichtigen Baustein, um den Fortbestand seines Stammes zu garantieren. Und dazu gehört für ihn auch, einen Teil des Wissens sein Väter bei seinen täglichen Touren an die Gäste aus aller Welt weiterzugeben.
Allgemeine Informationen: Toursim NT, Darwin, Level 1, Development House, 76 The Esplanade, Darwin NT 0800, Telefon 0061-(0)8-89993900, www.tourismnt.com.au.
Informationen: Batji Tours, Robert Mills, Darwin, Telefon 0061-(0)1300-881186, info.batjitours@gmail.com, www.batjittours.com. Die zweistündigen Touren mit Robert Mills kosten 50 Australische Dollar (ca. 42 Euro) pro Person und starten täglich um 10 Uhr am Lyons Cottag, 74 The Esplanade, in Darwin.
Anreise: Von Frankfurt aus fliegt Qantas täglich via Singapur nach Darwin. Informationen und Buchungen unter www.qantas.de oder telefonisch unter 01805-250620 (0,14 Euro(Min). Hin- und Rückflüge kosten je nach Saison rund 1.300 Euro.
Einreise: Neben einem gültigen Reisepass benötigen Besucher ein elektronisches Visum, die Electronic Travel Authority, kurz ETA, die den Einreisstempel im Pass ersetzt. Eine ETA kann über das Reisebüro, die jeweilige Fluggesellschaft oder im Internet unter www.eta.immi.gvo.au beantragt werden.
Gesundheit: Vor der Reise ist der Abschluss einer Auslandskrankenversicherung zu empfehlen, da hiesigen Krankenkassen in der Regel nicht für ärztliche Behandlungen in Australien aufkommen. Aufgrund der intensiven Sonneneinstrahlung sollten unbedingt ein Sonnenhut, bedeckende Kleidung (langärmeliges Hemd) und eine Sonnenbrille getragen werden. Außerdem sollte die Haut mehrmals täglich mit einen Sonnenschutzcreme (mindestens Lichtschutzfaktor 30 oder höher) eingecremt werden.
Unterkunft: Vibe Waterfornt Hotel, 7 Kirchener Road, Darwin, Telefon 0061-(0)8-89829998, www.vibehotels.com.au. Das moderne Hotel liegt direkt an Darwins neuer Waterfront, keine zehn Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt.
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Karsten-Thilo Raab
berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten für eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen über Reiseziele weltweit. Zudem hat er sich einen Namen als Autor von mehr als 120 Reise-, Wander- und Radführern sowie Bildbänden gemacht.