Hinnavaru – ein ursprünglisches Stück Malediven auf 1,4 Quadratkilometern

Bunte, einfache Häuser prägen das Bild auf Hinnavaru im Lhaviyani Atoll. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Bunte, einfache Häuser prägen das Bild auf Hinnavaru im Lhaviyani Atoll. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Die Malediven – das sind Traumstrände und Trauminseln mit mehr oder weniger luxuriösen Resorts. Doch es gibt auch die echten, etwas anderen Malediven. So etwa auf Hinnavaru. Mit rund 3.000 Einwohnern avanciert die gerade einmal 650 Meter lange und 225 Meter breite Insel zum größten bewohnten Island im Lhaviyani Atoll. Und die Insel rund 150 Kilometer nördlich der Hauptstadt Malé scheint langsam zu klein zu werden. Daher wurde ein aufwendiges Landgewinnungsprogramm gestartet.

„Bislang wird das Neuland aber nur als Müllhalde missbraucht“, weiß Mohammed Abdul Hammet zu berichten. Hier würden, so der 49-jährige weiter, Abfälle und Schrott zwischengelagert, ehe sie einmal wöchentlich mit dem Schiff zur Müllverbrennungsanlage in Malé gebracht würden. Und Mohammed macht keinen Hehl daraus, dass ihm das Ganze im wahrsten Sinne des Wortes stinkt. Denn wie überall auf den Malediven bewegt sich die Quecksilbersäule auf Hinnavaru ganzjährig konstant um die 28-Grad-Celsius-Marke, was unweigerlich dazu führt, dass die Müllberge in Teilen der Insel eine unangenehme Duftmarke setzen.

„Ansonsten ist Hinnavaru ein überaus lebenswertes Island“, ergänzt Mohammed und fügt hinzu: „Uns geht es richtig gut hier. Wir haben Sonne satt, ein fischreiches Meer vor der Haustür. Was brauchen wir da sonst noch?“, bringt der Familienvater, der im nahe gelegenen Kanuhura Resort arbeitet, seine Zufriedenheit zum Ausdruck. Sorgen bereit ihm lediglich, dass in der Altersgruppe der 15- bis 20-jährigen jeder Dritte auf Hinnavaru ohne Job und Jobperspektive sei. Daher würde viele Junge sich Arbeit in einem der umliegenden Resorts oder in der Hauptstadt Malé suchen. Außer der Fischfabrik auf der Nachbarinsel Felivaru gäbe es neben den Resorts keine größeren Arbeitgeber im Lhaviyani Atoll.

Im Hafen von Hinnavaru dümpeln kleine Fischerboote vor sich hin. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Im Hafen von Hinnavaru dümpeln kleine Fischerboote vor sich hin. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

„Unsere Haupteinnahmequellen sind der Fischfang und Tourismus“, so Mohammed weiter. Er selber gehört zu den wohlhabenden Insulanern. Denn als Mitarbeiter des Kanuhura Resorts verdient er rund 700 Dollar im Monat und damit etwa doppelt so viel wie der Landesdurchschnitt.

„Wir Malediver sind nicht arm“, sagt der 49-jährige. Stolz zeigt er die intakten Schulen, die blitzblanke Apotheke und die ordentliche Krankenstation. Die Krankenversorgung sei völlig kostenlos. Krankenhäuser gäbe es bislang zwar nur in Malé, aber auf jedem Atoll gäbe es Pläne, in naher Zukunft ein eigens Hospital zu errichten, weiß Mohammed zu berichten, während er mit Stolz die kleine Inseltour anführt.

Viele Straßen der Insel sind sandig und staubig. Mit Ausnahme einiger weniger Lastwagen sind keine Autos zu sehen. Zwei Jugendliche mit Baseballkappe auf dem Kopf, Sonnenbrille auf der Nase und Kopfhörer im Ohr knattern auf ihren Motorrädern vorbei und winken zum Gruß. Unter einem schattigen Baum hockt ein halbes Dutzend Mädchen, das die Haare unter Kopftüchern verbirgt. Sie kichern ein wenig albern und verlegen vor sich hin.

Aus den Lautsprechern der Moschee ruft der Muezzin zum Gebet. Doch nicht alle Männer haben Zeit. In dem kleinen Hafen herrscht geschäftiges Treiben. Die Dhonis, jene typisch maledivischen Boote, dümpeln vor sich hin. Fischgeruch liegt in der Luft. Emsig holen die Fischer ihre auf Eis gelagerten Fänge an Land. Andere hocken auf Kisten und flicken die Fischernetze.

Selbst Wellblechhütten auf Hinnavaru versprühen einen gewissen Charme. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Selbst Wellblechhütten auf Hinnavaru versprühen einen gewissen Charme. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

„Einige Fische behalten wir für den Eigenbedarf, die anderen werden der Fischfabrik in Felivaru zum Kauf angeboten“, verweist Mohammed auf die Tatsache, dass dort vorwiegend Thunfisch gefragt ist und verarbeitet wird.

Auf Hinnavaru ticken derweil die Uhren langsamer. Es gibt ein paar wenige Geschäfte, in denen das Notwendigste vorgehalten wird. Die knapp 700 Häuser der Insel sind zumeist schlicht und bunt bemalt, viele im landestypischen Türkis. Die eigentliche Sehenswürdigkeit für die Touristen, die sonst ihr Resort nicht verlassen, sind hier die Bewohner mit ihrer offenen, herzlichen Art.

Fröhlich und aufgeschlossen gegenüber Touristen zeigen sich die jüngeren Insulaner auf Hinnavaru. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Fröhlich und aufgeschlossen gegenüber Touristen zeigen sich die jüngeren Insulaner auf Hinnavaru. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

„Die meisten Besucher bleiben vielleicht ein, zwei Stunden, dann schauen sie sich kurz die Fischfabrik in Felivaru an, um dann doch lieber wieder Tauchen oder Schnorcheln zu gehen“, weiß Mohammed, dass mit den meisten Tagesbesuchern kein Geld gemacht werden kann. Ein paar kühle Getränke und ein paar Snacks werden hier und da gekauft und der eine oder andere bucht einen Tauchgang an einem der vorgelagerten Korallenriffe oder an einem der beiden Wracks, der im Lhaviyani Atoll gesunkenen Schiffe. Dabei sind Begegnungen mit Schildkröten, Delphinen, Thunfischen, Rochen und Mantas fast schon garantiert.

„Wir freuen uns immer, wenn Touristen sich ein Bild von unserer Insel machen und ihren Urlaub nicht komplett in einem Resort verbringen“, betont Mohammed, um dann ein wenig nachdenklich zu werden. Denn so sehr er seine Heimat und sein Leben mag, so sehr sieht er die Idylle in Gefahr. Denn die Wissenschaft ist sich sicher, dass das Inselreich der Malediven, das im Mittel nur etwa einen Meter über dem Meeresspiegel liegt, dem Untergang geweiht ist.

Auf Hinnavaru findet sich noch ein Stück urspüngliches Malediven. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Auf Hinnavaru findet sich noch ein Stück urspüngliches Malediven. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

„Es gibt immer wieder neue Horrorszenarien“, sagt Mohammed und ergänzt leicht wehmütig: „Vielleicht gibt es Hinnavaru schon in zehn Jahren nicht mehr. Vielleicht aber auch erst in 20, 30 oder 40 Jahren. Niemand kann dies mit Bestimmtheit vorhersagen.“

Spätestens Ende des Jahrhunderts dürfte es nach Expertenmeinung jedoch so weit sein. Klimaforscher sagen bis dahin einen Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter voraus. Die Regierung will vorbeugen, beschloss den Bau von künstlichen Inseln und verschiedenen Schutzmaßnahmen.

„Am besten alle besuchen uns in den nächsten Jahren, solange die Insel noch steht“, rührt Mohammed noch einmal die Werbetrommel für seine Heimat, bevor alle wieder an Bord des kleinen Motorbootes klettern und zu ihrem Resort zurückdüsen.

Mohammed Abdul Hammet im Hafen von Hinnavaru im Lhaviyani Atoll. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Mohammed Abdul Hammet im Hafen von Hinnavaru im Lhaviyani Atoll. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Allgemeines: Die Malediven liegen südwestlich des indischen Subkontinents im Indischen Ozean und bestehen aus 26 Atollen mit zusammen rund 1.200 Inseln, von den nur 200 bewohnt sind und weitere 90 als Hotel Resorts fungieren. Das rund 150 Kilometer nördlich von Malé gelegene, 18 x 35 Kilometer große Lhaviyani Atoll, auch Faadhippolhu Atoll genannt, besteht aus 54 Inseln, von denen nur fünf bewohnt sind. In Hinnavaru leben ca. 3.000 Einwohner, der Rest der 7000 Einwohner des Atolls verteilt sich auf Naifaru, Kurendhoo, Olhuvelifushi und Felivaru.

Anreise: Ab 550 Euro für Hin- und Rückflug bietet Condorvon Frankfurt aus Flüge nach Male an. Die Flugzeit beträgt zehn Stunden. Von Male geht es mit dem Wasserflugzeug des Maldivian Air Taxi dann binnen 40 Minuten ins 150 Kilometer entfernte Lhaviyani Atoll.

Klima: Geprägt wird das Klima des Lhaviyani Atolls von zwei Monsunen bei Jahresdurchschnittstemperaturen von 28 Grad Celsius. Von Dezember bis März/April ist die Luft trocken und warm, von Mai bis November gibt es gelegentliche Schauer und eine höhere Luftfeuchtigkeit.

Fischerboot im Hafen von Hinnavaru. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Fischerboot im Hafen von Hinnavaru. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Zeitunterschied: Das Lhaviyani Atoll ist der Mitteleuropäischen Zeit fünf Stunden voraus.

Sprache: Landessprache ist Dhivehi, Englisch ist weit verbreitet.

Währung: Die Landeswährung ist Rufiyaa. Ein Rufiyaa entspricht etwa 0,046 Euro, ein Euro etwa 20,75 Rufiyaa. Nahezu überall kann problemlos in US-Dollar bezahlt werden. Auch Kreditkarten sind überwiegend problemlos nutzbar.

Essen & Trinken: Auf dem etwa 30 Bootsminuten entfernten Kanuhura gibt es mit dem Thin Rah (Buffet), dem Olive Tree (mediterranes á la carte Menü) und dem Veli Café (Asian Fusion Kitchen und Gegrilltes) drei Restaurants sowie auf der unbewohnten Nachbarinsel Jehunuhura mit dem Kandu ein kleines Restaurant, das Grillspezialitäten und Fisch serviert.

Übernachten: Kanuhura Resort, Lhaviyani Atoll, Malediven, Telefon 00960-6620044, info@kanuhura.com.mv, www.kanuhura.com. Das Fünf-Sterne-Superior-Hotel, das 2012 zum besten „luxury private island resort“ der Welt gekürt wurde, zählt 100 Villen mit Größen von 62 bis 188 Quadratmetern. Strandvillen beginnen umgerechnet bei 209 Euro pro Person und Nacht im Doppelzimmer inklusive Frühstück, Wasservillen bei 319 Euro und Grand Wasservillen bei 436 Euro.

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