Die Welt trifft sich bei Willibrord – Springprozession im luxemburgischen Echternach

Immer am Dienstag nach Pfingsten zeihen Tausende Gläubige bei der Springprozession durch die Straßen von Echternach. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Immer am Dienstag nach Pfingsten zeihen Tausende Gläubige bei der Springprozession durch die Straßen von Echternach. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Regelmäßig weit mehr als 10.000 Menschen zu mobilisieren, das schaffen heutzutage eigentlich nur Popstars oder Spitzensportler. Und dass die Menschenmassen dann auch noch bei sommerlichen Temperaturen stundenlang von einem Bein auf das andere hüpfen, ist eigentlich unvorstellbar. Nicht so im luxemburgischen Echternach. In der Kleinstadt an der deutschen Grenze steht der Heilige Willibrord zumindest für einen Tag den Stars und Sternchen der Neuzeit in nichts nach. Und dies, obschon der Missionar bereits vor fast 1.300 Jahren das Zeitliche gesegnet hat. Zu seinen Ehren springen und hüpfen alljährlich am Dienstag nach Pfingsten unzählige in weißen Hemden und dunklen Hosen gekleidete Pilger aus aller Herren Länder durch das Marktstädtchen an der Sauer – so auch am 26. Mai dieses Jahres.

Musikkapellen begleiten die Gläubiger bei ihrer Prozession durch Echternach. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Musikkapellen begleiten die Gläubiger bei ihrer Prozession durch Echternach. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Der aus Northumberland stammende Willibrord (658-739) hatte 698 in Echternach eine Kirche und ein Kloster errichtet. Damit begründete der Missionar den Ruf der 5.000-Seelen-Gemeinde als eine der ältesten Christianisierungs- und Kulturstätten Europas. In der Krypta der nach ihm benannten Basilika befindet sich sein Grab.

Und die letzte Ruhestätte des Heiligen ist seit vielen Jahrhunderten Ziel der Springprozession. Das erste schriftliche Dokument über die springenden Pilger datiert aus dem Jahre 1497. Das älteste Bilddokument ist ein Gemälde des flämischen Malers Anton Stevens aus dem Jahre 1604, das sich noch immer in der Kapelle der Willibrord-Basilika befindet.

Zu den Klängen eines immer wiederkehrenden Polkarhythmus springen die Pilger vom Abteihof durch die Innenstadt zum Grab des Heiligen Willibrord. Ein Schauspiel, das seit Hunderten von Jahren immer in gleicher Art und Weise abläuft. In Gruppen von fünf bis sechs Leuten fassen sich die Pilger mit weißen (Taschen-) Tüchern an, machen sich dann auf den knapp 1.500 Meter langen Weg, indem sie von einem Bein auf das andere hüpfen.

„Der genaue Ursprung und Sinn dieser Prozedur liegen im Dunkeln“, räumt Marianne Origer, Touristische Koordinatorin der Region Müllerthal, ein. Mal wird die Springprozession als Bußwerk, mal als Freudentanz gedeutet.

Das Gros der Teilnehmer der Springprozessions ist ganz in Schwarz und Weiß gekleidet. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Das Gros der Teilnehmer der Springprozessions ist ganz in Schwarz und Weiß gekleidet. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Entgegen anders lautender Meinungen springen die Pilger lediglich seitwärts und vorwärts, nicht etwa rückwärts“, so Marianne Origer weiter. Aufgrund der relativ kurzen Wegstrecke und der enormen Teilnehmerzahl mit bis zu 15.000 Gläubigen kommt die Prozession mitunter ins Stocken. Dann muss zwangsweise zwischenzeitlich auf der Stelle gesprungen werden. Dort, wo der Rundweg ansteigt, entsteht so manchmal der Eindruck, als würde auch rückwärts gesprungen.

Nicht nur die Gläubiger stimmen hier Jahr für Jahr eindrucksvoll mit den Füßen ab, auch die UNESCO hat die Echternacher Springprozession unlängst in den Adelsstand erhoben: Am 16. November 2010 wurde die Veranstaltung in die Liste der immateriellen Kulturgüter der Menschheit aufgenommen.

Verbindendes Element bei der Springprozession ist ein weißes Tiuch. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Verbindendes Element bei der Springprozession ist ein weißes Tiuch. (Foto Karsten-Thilo Raab)

„Die Prozession hat den Charakter lebensbejahender Freude. Aber auch inständige Bitten leidgeprüfter Menschen kommen immer wieder deutlich zum Ausdruck“, weiß Marianne Origer mit Blick auf die Motivation der Pilger zu berichten. So wird die Springprozession oft als freudiger Ausdruck des christlichen Glaubens interpretiert.

Andere Erklärungsansätze sehen darin einen Art Heiltanz gegen Fallsucht (Epilepsie) und andere Gebrechen. Davon ausgehend wird behauptet, beim Springen werde das krankhafte Fallen nachgeahmt und damit versucht, die Fürsprache des Heiligen Willibrord bei Gott zu erbeten. Denn in früheren Jahren galt der Grundsatz „Gleiches wird durch Gleiches geheilt“.

Begleitet wird die Springprozession von den immer gleichen musikalischen Tönen. (Foto Karsten-Thilo Rab)
Begleitet wird die Springprozession von den immer gleichen musikalischen Tönen. (Foto Karsten-Thilo Rab)

„Wer freiwillig die Symptome einer bestimmten Krankheit auf sich nahm, konnte davon geheilt werden, sich davor schützen oder das Übel von anderen Personen abwenden“, berichtet Marianne Origer. Aber wie immer das Phänomen auch zu erklären sei, fest steht, die Springprozession ist als religiöses, kulturelles und touristisches Markenzeichen von Echternach – aber auch des Großherzogtums Luxemburgs – nicht mehr wegzudenken.

Allgemeine Informationen unter www.willibrord.lu und unter www.echternach-tourist.lu.

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