Mal ehrlich – ein wenig reizt es wohl jeden, Einblicke in fremde Betten zu erlangen. Bei den meisten bleibt es nur ein Gedankenspiel. Gerald Foos, Hauptfigur in Gay Taleses Buch Der Voyeur hingegen ließ auf Gedanken Taten folgen. Da er alles, wirklich alles über das Sexleben seiner Mitmenschen wissen will, kauft er kurzerhand ein altes Motel in Colorado und beginnt, seine Gäste zu observieren.
Akribisch notiert er dabei, was er im Wandel der Jahrzehnte zu sehen bekommt: Gruppensex, Selbstbefriedigung, die Ausübung ehelicher Pflichten…. Was wie ein phantasiereicher Roman klingt, ist der Wirklichkeit entsprungen.
„Ich kenne einen verheirateten Mann und zweifachen Vater, der vor vielen Jahren ein Motel mit einundzwanzig Zimmern in der Nähe von Denver kaufte, um dort seine voyeuristische Neigung auszuleben.“ So beginnt das Buch, das Gay Talese geschrieben hat.
Foos hatte zwar mit seiner Frau gemeinsame Sache gemacht beim Einbau der Filmkameras, aber er wollte seine Erkenntnisse auch mit anderen Teilen. So kam es, dass er ihm Jahre 1980 dem bekannten Journalisten Talese einen Eilbrief zukommen ließ.
„Sehr geehrter Mr. Talese, ich habe von Ihrer landesweiten Studie zum Sexualleben der Amerikaner erfahren (…). Ich schreibe Ihnen, weil ich glaube, über wichtige Informationen zu verfügen, die ich (…) beizusteuern hätte.“
Erst Jahre später sollte daraus ein Buch werden, das sich verstörend, spannend und manchmal auch düster-humorvoll liest. Die Frage, die sich den Lesern unweigerlich stellt: Kann ich mich in einem Hotelzimmer je wieder sicher, frei und unbeobachtet fühlen?
Erhältlich ist Der Voyeur (ISBN 978-3455000993) von Gay Talese für 20 Euro im Buchhandel oder direkt beim Tempo Verlag.
