Aserbaidschan – ein Stück Asien auf Europa-Kurs

Wahrzeichen von Aserbaidschan: Die abendliche in den Farben der Landesfahne illuminierten Flame Towers in Baku. (Copyright Karsten-Thilo Raab)
Wahrzeichen von Aserbaidschan: Die abendliche in den Farben der Landesfahne illuminierten Flame Towers in Baku. (Copyright Karsten-Thilo Raab)

Viel wissen die meisten über Aserbaidschan wenig. Der Name der Hauptstadt Baku ist vielen ein Begriff. Auch dass der Eurovision Song Contest im Jahre 2012 in der Zwei-Millionen-Stadt am Kaspischen Meer ausgetragen wurde, ist bekannt. Das war es dann allerdings schon. Okay, dass Ex-Bundestrainer Berti Vogts seit 2008 mit mäßigem Erfolg versucht, Aserbaidschan aus dem Dornröschenschlaf der Fußballzwerge zu erwecken, ist zumindest den Freunden des Runden, das ins Eckige muss, geläufig.

Aserbaidschan liegt geografisch in Asien. Gleichwohl fühlt sich die Kaukasus-Republik mehr und mehr zu Europa hingezogen. Bertis Schützlinge kicken in der EM-Qualifikation mit, beim Eurovision Song Contest darf Aserbaidschan ebenfalls mitmischen – und hat hier im Gegensatz zu den Fußballern schon Siegermentalität bewiesen, als das Gesangsduo „Ell & Nikki“ den kontinentalen Gesangswettstreit im Jahre 2011 in Düsseldorf mit dem Beitrag „Running Scared“ für sich entschied. Nun setzt der Binnenstaat in Vorderasien, der 1991 die Unabhängigkeit von der damaligen Sowjetunion erreichte, verstärkt auf die Sportschiene, um sich in den europäischen Fokus zu rücken und mehr Europäer für das Land zu begeistern. 2013 kamen 465.000 EU-Bürger ans Kaspische Meer – darunter knapp 14.000 Deutsche. Tendenz stark steigend. Denn im ersten Quartal 2014 waren es bereits 6.300. Das lässt hoffen.

„2015 ist Baku Gastgeber der ersten Europaspiele – eine Art Miniolympiade für europäische Länder“, hofft Vugar Shinkanmadov, der PR-Chef des Tourismus-Ministeriums, auf eine Magnetwirkung des Großsportevents. Über 6.000 Sportler aus 49 Nationen messen sich vom 12. bis 28. Juni 2015 in 19 olympischen und nicht-olympischen Disziplinen. Zwischen der Innenstadt und dem Flughafen entsteht derzeit das neue Olympiastadion als Hauptwettkampfstätte für die Europaspiele.

Mit massiven Investitionen will sich Aserbaidschan zudem als Wintersportdestination empfehlen. Im schneesicheren Kaukasus werden die beiden Skigebiete Shahdag und Tufan, die rund zweieinhalb Autostunden nördlich von Baku liegen, nicht nur weiter ausgebaut, sondern sollen künftig auch über eine Skischaukel miteinander verbunden sein.

„Wer aus dem Norden Deutschlands mit dem Auto in die Alpen fährt, ist genauso lange unterwegs wie in unsere schönen Skigebiete“, setzt Vugar Shinkanmadov auf den Reiz des Neuen und die Tatsache, dass die Wintersportregionen alles andere als überlaufen sind. Überfüllte Pisten und lange Wartezeiten am Lift sind hier weitgehend unbekannt.

Rührt die Werbetrommel für sein Land: Vugar Shinkanmadov, PR-Chef des Tourismus Ministeriums. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Rührt die Werbetrommel für sein Land: Vugar Shinkanmadov, PR-Chef des Tourismus Ministeriums. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Unabhängig davon wird Aserbaidschan im Jahre 2020 zur Bühne des europäischen Spitzenfußballs – selbst wenn Bertis Buben bis dahin immer noch überwiegend Lehrgeld auf dem Rasen zahlen dürften. Denn die UEFA hat im Rahmen der Europameisterschaft 2020 neben drei Gruppenspielen auch ein Viertelfinale nach Baku vergeben.

„Natürlich hat Aserbaidschan auch abseits des Sports einiges zu bieten“, rührt Vugar Shinkanmadov weiter eifrig die Werbetrommel für sein Land. So verweist er auf die historische Altstadt von Baku, die als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO steht. Markanteste Bauwerke sind hier neben dem Palast der Khane von Schirwan die Stadtmauer aus dem 12. Jahrhundert, die Lesgische Moschee (Lezgi Miski) so wie der eigenwillig geformte Jungfrauenturm (Qız Qalası), während sich rund um den Fountain Square mit seinen vielen Brunnen die modernen Einkaufsstraßen mit ihren viele Designerläden gruppieren.

Während in Baku protzige Nobelkarren das Straßenbild prägen, geht es auf dem Lande etwas altertümlicher her. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Während in Baku protzige Nobelkarren das Straßenbild prägen, geht es auf dem Lande etwas altertümlicher her. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Die Straßen im Zentrum der Hauptstadt erliegen fast rund um die Uhr dem Verkehrsinfarkt. Dafür ist in den zum Teil achtspurigen Straßen ein nicht enden wollendes Hupenkonzert zu vernehmen. Irgendwie müssen sich die Fahrer ja im Schneckentempo die Zeit vertreiben. Auffällig ist dabei die große Dichte an SUVs. Bei Benzinpreisen um 70 Cent für den Liter spielt der Verbrauch bei jenen protzigen, gleichwohl schicken Geländelimousinen hier nur eher eine untergeordnete Rolle. Mit jedem Kilometer, mit dem man sich von der Kapitale entfernt, ändert sich das Bild: Die Straßenlage ist deutlich entspannter, auch wenn die Straßen schlechter werden. Statt der übermotorisierten Nobelkarossen rollen hier vornehmlich altertümliche Lada über die holperigen Pisten.

Landmarke in der historischjen Altstadt von Baku: der eigenwillig geformte Jungfrauenturm. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Landmarke in der historischjen Altstadt von Baku: der eigenwillig geformte Jungfrauenturm. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Unabhängig davon gibt es auch außerhalb Bakus einiges zu entdecken: Besonderheiten sind beispielsweise die rund 400 brodelnden Schlammvulkane des Landes, aber auch die bis zu 10.000 Jahre alten Felsenzeichnungen von Gobustan oder der Palast des Khans ist Sheki. Nicht zu vergessen sind fraglos die vielen Paläste, Moscheen und Karawansereien aus der Blütezeit der legendären Seidenstraße, die einst in Teilen durch Aserbaidschan verlief.

„Obwohl wir ein muslimisches Land sind, findet sich im Bergdorf Kish die älteste christliche Kirche der Welt, deren Geschichte bis in das 1. Jahrhundert zurückreicht“, verweist Vugar Shinkanmadov gleichzeitig auf die Tatsache, dass es in dem islamischen Land rund 160 christliche Gotteshäuser gibt.

Enge, geschotterte Pisten führen am Felsrand entlang durch den Kaukasus. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Enge, geschotterte Pisten führen am Felsrand entlang durch den Kaukasus. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Wer ein ursprüngliches Stück Aserbaidschan erleben möchte, sollte zudem das im Kaukasus gelegene Lahij besuchen. Fast völlig abgeschieden und nur über eine enge Schotterstraße am Felsrand entlang zu erreichen, ist das Bergdorf ein Zentrum der Kupferschmiede. Seit Jahrhunderten verarbeiten die Bewohner hier das wertvolle Metall.

„Von weltweit zwölf Klimazonen befinden sich neun in Aserbaidschan. In der Kura-Ebene beispielsweise herrscht Halbwüstenklima; das Lenkoran-Tiefland im äußersten Süden zählt zu den feuchten Subtropen und in den Gebirgslagen des Kaukasus finden sich alpine Bedingungen“, so Vugar Shinkanmadov mit Blick auf die landschaftliche und klimatische Vielfalt seiner Heimat, die mit einer Gesamtfläche von 86.600 Quadratkilometer nur wenig größer als Österreich ist.

Entlegen, aber bezaubernd: das von Kupferschmieden geprägte Bergdorf Lahij im Kaukasus. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Entlegen, aber bezaubernd: das von Kupferschmieden geprägte Bergdorf Lahij im Kaukasus. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Die wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Drehscheibe ist das moderne Baku. In einigen Teilen des Stadtgebiets herrscht ein Bauboom, wie man ihn sonst nur aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kennt. Längst finden sich in der Kapitale einige moderne architektonische Landmarken wie das 2014 eröffnete Teppichmuseum, dessen Äußeres an einen riesigen, zusammengerollten Teppich erinnert.

Stimmungsvoller Sonnenuntergang bei Soltankand. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Stimmungsvoller Sonnenuntergang bei Soltankand. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Oder das ganz in weiß gehaltene Heydar Aliyev Museum. In dem von der iranisch-britischen Star-Architektin Zaha Hadid entworfenen Vorzeigebau nimmt der Personenkult um den 2003 verstorbenen Ex-Präsidenten, der noch immer überall im Land auf riesigen Plakatwänden allgegenwärtig ist, fast schon skurrile Züge an. Neben dem Fuhrpark, dem Schreibtisch, den Armeeuniformen und Orden des noch immer hoch verehrten KPD-Parteisoldatens, der unter anderem lange Jahre als Erster Stellvertretender Ministerpräsident der Sowjetunion fungierte, sind so Dinge wie die Öllampe, die er Ende der 1990er Jahre für drei Jahre nutzte, zu sehen. Spötter sagen, nur eine Haarschuppe und der erst Kaugummi des Übervaters der Nation würden noch in der Sammlung fehlen.

Kleinod an der alten Seidenstraße: Sheki. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Kleinod an der alten Seidenstraße: Sheki. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Und dann sind da noch die famosen Flame Towers. Die drei Türme des 350-Millionen-Dollar-Vorzeigeobjektes, das optisch an riesige Flammen erinnert, ragen zwischen 140 und 190 Meter hoch in den Himmel. 10.000 LED-Lampen illuminieren allabendlich die 2013 eingeweihten Flammentürme, die längst zum Wahrzeichen für ein aufstrebendes Land geworden sind, das Feuer und Flamme für mehr europäische Nähe ist.

Informationen: Aserbaidschan Tourismusbüro, c/o Aviareps Tourism GmbH, Josephspitalstraße 15, 80331 München, Telefon 089-552533836 , aserbaidschan@aviareps.com, www.azerbaijan.travel

Brodelnde Blickfänge: Die vier bis zehn Grad warmen Schlammvulkane von Aserbaidschan. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Brodelnde Blickfänge: Die vier bis zehn Grad warmen Schlammvulkane von Aserbaidschan. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Lage: Aserbaidschan liegt in Vorderasien zwischen dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus. Es grenzt im Norden an Russland, im Nordwesten an Georgien, im Süden an den Iran und im Westen an Armenien sowie über die Exklave Nachtischewan an die Türkei. Vor der Unabhängigkeit 1991 war Aserbaidschan ein Teilstaat der Sowjetunion. Die Gesamtbevölkerung beträgt neun Millionen, wovon zwei Millionen in der Hauptstadt Baku leben.

Anreise: Lufthansa fliegt viermal wöchentlich direkt von Frankfurt am Main nach Baku. Turkish Airlines bieten von fast allen größeren deutschen Flughäfen tägliche Verbindungen via Istanbul nach Baku an. Der Preis für Hin- und Rückflug liegt im Mittel bei 600 Euro.

Architektonischer Blickfang in Baku: das Heydar Aliyev Museum. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Architektonischer Blickfang in Baku: das Heydar Aliyev Museum. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Zeitverschiebung: Im Sommer ist Aserbaidschan der mitteleuropäischen Zeit drei Stunden, im Winter vier Stunden voraus.
Währung: Zahlungsmittel ist der Manat (AZN). Ein Manat entspricht etwa einem Euro. Die Münzen tragen den Namen Qəpik (Gepik).

Sprache: Offizielle Landessprache ist Aserbaidschanisch. Russisch ist aufgrund der sowjetischen Vergangenheit noch immer weit verbreitet. Mit Englisch kommt man außerhalb von Baku eher schwer zurecht. Durch die Gastfreundschaft der Menschen können Reisende sich aber gut mit Händen und Füßen verständigen. Geschrieben wird in Anlehnung an das Türkische – in lateinischer Schrift. Zuvor war das kyrillische Alphabet in Benutzung. Durch die Transkription ins lateinische Alphabet gibt es oft verschiedene Schreibweisen, was gerade bei Ortsnamen manchmal zu Verwirrung führen kann.

Gut gelaunte Bäckerin im Bergdorf Lahij. (Foto Karsten-Thilo Raab)
Gut gelaunte Bäckerin im Bergdorf Lahij. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Strom: Die Spannung beträgt 220/240 Volt. Europäische Standardstecker können problemlos verwendet werden.

Europaspiele: www.baku2015.com

Essen & Trinken: Sizvansah, Salatin Asgerova 86, Baku, AZ 1006, Telefon 00994-12-5950901. Traditionelle aserbaidschanische Küche serviert in einem alten Hamam. Abendlich wird hier live Mugham-Musik gespielt.

The Landmark, 90A Nizami Street, Baku, Telefon 00994-12-465-2000, www.landmarkhotelbaku.com. Restaurant und Sky-Bar im obersten Stock des Hochhauses eröffnen herrliche Blicke auf das Regierungsgebäude und die Flame Towers. Die Küche ist aserbaidschanisch mit einer internationalen Note.

UNESCO-Weltkulturerbe: Die Felszeichnungen von Gobustan. (Foto Karsten-Thilo Raab)
UNESCO-Weltkulturerbe: Die Felszeichnungen von Gobustan. (Foto Karsten-Thilo Raab)

Art Garden, 22 Asef Zeynalli, Icheri Sheher, Baku, AZ 1006, Telefon 00994-12-4921331 www.artgraup.az. Charmantes Restaurant in einer alten Karawanserei nur einen Steinwurf vom Jungfrauentrum entfernt.

Zest Lifestyle Café, 674 Azadliq Square, Baku AZ1010, Telefon 00994-12-4998844. Das im JW Marriott Hotel gelegene Hotel bieten unter anderem eine exzellente vegetarische Küche an.

Tarihi Sultanahmet Koftecisi, Abdulkarim Alizade Street, Baku, Telefon 00994-12-4936193. Preisgünstige aserbaidianische Küche mit türkischem Einfluss.

Mobiler Apfelverkäufer in Baku. (Foto: Karsten-Thilo Raab)
Mobiler Apfelverkäufer in Baku. (Foto: Karsten-Thilo Raab)

Übernachten: Fairmont Baku, Flame Towers, 1A Mehdi Huseyn, Baku, AZ 1006, Telefon 00994-12-5654848, www.fairmont.com. Das Fünf-Sterne-Hotel in den Flame Towers bietet Zimmer ab 280 Euro an.

Jumeirah Bilgah Beach Hotel, 94 Gelebe Street, Bilgah Disrict, Baku, AZ 1122, Telefon 00994-12-5654000, www.jumeirah.com. Das direkt am Strand gelegene Fünf-Sterne-Haus bietet Doppelzimmer ab 220 Euro an. Eine Besonderheit ist hier der mit 54 Meter und 72.000 Lampen größte Kronleuchter der Welt.

New Baku Hotel, Hasan Aliyev Street 9C, Baku, AZ1010, Telefon 00994-12-4497338, www.newbakuhotel.com. Ein sehr ordentliches Mittelklassehotel mit Doppelzimmern ab 80 Euro.

Tipp: Die schönsten Impressionen aus der Region hat Autor Karsten-Thilo Raab unter dem Titel „Faszination Aserbaidschan“ in einem Wandkalender zusammengestellt. Erhältlich ist dieser in den Formaten A2 bis A5 je nach Größe für 18,90 bis 49,90 Euro im Buchhandel sowie unter anderem bei Amazon oder im Kalendershop des Mortimer Reisemagazins.


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